Kommentar
Zwischen Stilmittel und Realität: Sexismus im Deutschrap
„Du bist ne Fotze, die nach zwei Bier schon auf der Theke tanzt. Also laber uns nicht voll mit deinem Mädelskram. Eine Frau bleibt auf Ewigkeit ein Gegenstand.“* heißt es im Song eines bekannten Deutschrappers. Sexistische Lines wie diese sind im Deutschrap keineswegs ungewöhnlich. Ob sie jedoch angebracht und notwendig sind, ist eine andere Sache. Ein Kommentar von Marie Gueye.
Normalerweise überschreitet Glorifizierung von Vergewaltigung und Gewalt gegen Frauen eindeutig eine Grenze. Das ist gesellschaftlicher Konsens. Trotzdem wird dieser große Grenzübertritt in der Musikszene gebilligt. Aber sollte es nicht auch da verwerflich sein, dass Rapper, die für manche eine Art Vorbildfunktion einnehmen, unverblümt, in der Ego-Perspektive über Sex ohne Consent prahlen und Frauen als willenlose Objekte darstellen? Verdienen Frauen nicht eben jenen Respekt, den so mancher Gangster Rapper auf der Straße einfordert? Die meisten würden diese Fragen wohl mit ja beantworten. Handelt es sich jedoch um das Lieblingslied, geraten diese Aspekte schnell in Vergessenheit. Diese Diskrepanz ist nicht nur ein Widerspruch, sondern ein Problem unverhohlener Verharmlosung.
Nur ein alter Ego……
Bitch, Fotze, Hure und Co. : Vulgäre Ausdrucksweisen gegenüber Frauen im Rap werden sehr oft mit dem Schlagwort „Stilmittel“ von Fans und den Rappern selbst entschuldigt. So soll sich der in Texten von Deutschrappern aufzufindende Sexismus lediglich im Namen der Kunst einen düsteren und grausamen Bruchteil unserer Realität widerspiegeln. Mit Frauenfeindlichkeit habe das ganze gar nichts zu tun und der Rapper selbst sei „natürlich“ auch kein Sexist.
…. oder doch Realität ?
In den letzten Jahren sorgten bekannte Vertreter der Deutschrap-Szene mit ihrem Verhalten immer wieder für negative Schlagzeilen. So wurde beispielsweise dem Rapper Samra im Jahr 2021 von der Influencerin Nika Irani Vergewaltigung vorgeworfen. Währenddessen hat sich 187 Mitglied Bonez MC, 2020 aufgrund einer Instagram Story, in der er Frauen dazu auffordert, sich „sexy“ und „interessant“ zu machen um nicht nur für Sex benutzt zu werden, äußerst unbeliebt gemacht. Die Anschuldigungen gegen die Rapper flauen zwar meist nach einigen Monaten wieder ab, trotzdem hinterlassen sie ein mulmiges Gefühl. Kann der Sexismus im Deutschrap wirklich noch als Stilmittel abgeschrieben werden, wenn der Künstler selbst mehrmals der sexuellen Belästigung oder Vergewaltigung beschuldigt wurde? Ist es „Storytelling“, wenn der Rapper sein „Alter ego“ dazu nutzt seinen Vergewaltigungsphantasien freien Lauf zu lassen? Und wenn Sexismus wirklich Kunst ist, welchen Mehrwert ziehen wir – abgesehen von der eindeutigen Glorifizierung von Vergewaltigung und Objektivierung – daraus? Je länger man darüber nachdenkt, desto klarer wird, dass unsere anscheinend progressive Gesellschaft in Sachen Frauen teilweise immer noch das Denken des letzten Jahrhunderts beibehalten hat. Wir haben ein Sexismus Problem. Es wird zwar von wuchtigen Beats und einprägsamen Melodien unterstrichen, aber das macht die Sache auch nicht besser.
Was muss sich ändern ?
Ein Boykott von Songs durch eine Indizierung in Verbindung mit dem Jugendschutzgesetz, ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, verfehlt aber auf gewisse Weise trotzdem die Problematik. Jugendschutz ist wichtig, sollte aber bei der Thematik Sexismus im Deutschrap nicht Priorität Nummer eins sein. Vielmehr sollte sich der Fokus dabei direkt auf die Betroffenen richten: Frauen. Denn die werden bei der Debatte oft außen vorgelassen. Weil die Musik bis heute als Entschuldigung für Gewaltfantasien dienen darf. Das ist keine Kunstfreiheit mehr, sondern ein Befeuern von Klischees, die prägend für eine junge Kultur zu einer echten Gefahr werden können.
*Finch: Sex&Gewalt