Klimakrise und Coronakrise
Zwei Krisen, eine Krisenbewältigung?
Die Corona-Krise und deren wirtschaftliche Folgen könnten unter Umständen eine Chance für den Klimaschutz sein. Umweltschützer wollen deshalb Konjunkturhilfen für Unternehmen unter anderem an Nachhaltigkeit koppeln. Aus Industrie und Wirtschaft kommen gemischte Reaktionen.
„Noch immer ist nicht nur die Pandemie das größte Problem, sondern der Klimawandel, der Verlust an Artenvielfalt, all die Schäden, die wir Menschen und vor allem wir Europäer durch Übermaß der Natur antun.“ Mit diesen Worten lenkte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble Ende April in einem Interview der taz die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die andere aktuelle Katastrophe, den Klimawandel.
Seit dem Beginn der Corona-Einschränkungen ist die Schadstoffbelastung in vielen Industrienationen messbar zurückgegangen. So weit, dass Deutschland, ganz ungeplant, seine Klimaziele für das Jahr 2020 voraussichtlich sogar erreichen wird. Dann allerdings nicht durch gebündelte Kraftanstrengungen aus Politik und Wirtschaft, sondern aufgrund einer tödlichen Pandemie. Ändert sich nach der Aufhebung der Corona-Beschränkungen nichts, wird es aber wohl nur bei kurzfristigen Verbesserungen für das Klima bleiben.
Wirtschaft und Klima retten?
Während eine weltweite Rezession droht und in Deutschland derzeit über zehn Millionen Menschen in Kurzarbeit sind, stellt sich nun die Frage: Welche Rolle spielen Klimaschutz und Innovation in den milliardenschweren Konjunkturpaketen für Unternehmen? Denn trotz ihrer schweren Einschnitte könnte die Krise dabei helfen, Strukturen nachhaltig und klimaneutral zu verändern.
Auf dem Petersberger Klimakongress Ende April wurden nun diese zwei Themen zusammengeführt: Klima und Wirtschaft, funktioniert das in der Corona-Krise? Die Antworten sind vielstimmig. Das Umweltbundesamt hat eine klare Position: „Wenn die Wirtschaft nach der Krise wie zuvor läuft und der Verkehr wieder zunimmt, werden auch die Emissionen und der Lärm wiederkommen. Daher schlägt das Umweltbundesamt vor, Konjunktur-/Investitionspakete, die nach der Krise die Wirtschaft wieder in Gang bringen sollen, zu verbinden mit Nachhaltigkeitszielen wie Klimaschutz, Ressourcenschonung, Emissionsminderungen und einer nachhaltigen Digitalisierung.“
Aber auch Wirtschaftsvertreter*innen und Unternehmen fordern eine klimaschützende Konjunkturpolitik ein. Die Stiftung 2Grad – Deutsche Unternehmer für Klimaschutz, in denen unter anderem auch Bayer und Allianz vertreten sind, sprechen sich unter anderem auch für ein Festhalten an den Klimazielen von Paris aus.
Klimaziele auf dem Prüfstand
Doch wo einige die derzeitige Umwälzung durch die Krise als Chance für den Klimaschutz begreifen, sehen andere darin einen Grund, den Klimaschutz hinten anzustellen. So sagte der stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbands der deutschen Industrie, Holger Lösch, man halte an den Zielen für 2050 fest: „Die Zwischenziele für 2030 müssen aufgrund der veränderten wirtschaftlichen Lage dringend auf den Prüfstand.“ Auch die deutsche Autoindustrie befürchtet zu starke Einschnitte für einen nur schleppend anlaufenden Aufschwung, um neue Grenzwertregulierungen für ihre Flotten durchzusetzen.
Dieser Konflikt findet mit dem Vorschlag der EU-Kommission des Green Deals auch auf europäischer Ebene statt. Dass die Klimakatastrophe mittlerweile eine andere Priorität hat als noch nach der Wirtschaftskrise 2008, scheint spätestens seit dem Pariser Klimaabkommen 2015 deutlich geworden zu sein. Wie ernst es die deutsche Regierung und die EU-Kommission tatsächlich mit der Einhaltung und Umsetzung der Klimaziele in Industrie und Wirtschaft meinen, steht jetzt umso mehr auf dem Prüfstand.