Tierheime während der Pandemie
Zu wenig Adoptionen, zu viele Neuzugänge
Jedes Jahr landen rund 350.000 Haustiere in deutschen Tierheimen, wo sie auf ein neues Zuhause warten. Auch sie sind von der Coronakrise beeinträchtigt. Wie ihr Alltag derzeit aussieht, zeigt ein Besuch im Tierheim München.
Normalerweise ist im Tierheim München immer viel los. Tiere und ihre Pfleger*innen, freiwillige Helfer*innen und Tierbesitzer*innen in spe tummeln sich auf dem Gelände. Das geht in Zeiten von Corona natürlich nicht mehr. Bis auf vereinzelte Pfleger*innen und dem ein oder anderen bellenden Hund wirkt das Gelände jetzt wie ausgestorben.
Social Distancing zwischen Mensch und Tier
Ehrenamtlich im Tierheim aushelfen, hier und da mal Gassigehen – das klingt eigentlich nach einer guten Beschäftigung, um sich selbst von der eigenen Einsamkeit und Langeweile in der Ausgangssperre abzulenken. Leider geht das aktuell nicht mehr so leicht.
Für die ehrenamtlichen Helfer*innen bedeutet das Langeweile zuhause, für das Tierheim ein großes Problem: Normalerweise hat das Tierheim täglich rund hundert solcher Freiwilligen vor Ort, die Gassi gehen, Katzen streicheln und andere leichte Aufgaben übernehmen. Jetzt sind nur noch die angestellten Tierpfleger*innen da.
Die müssen jetzt zusätzlich zu ihren eigenen Aufgaben auch die Arbeit der Ehrenamtlichen übernehmen. Da kommen manchmal auch das ein oder andere Tiere zu kurz. Zwar sind alle gut versorgt, aber es fehlt einfach die Zeit, um ihnen die extra Streicheleinheiten und Aufmerksamkeit zu geben, die sie sonst bekommen.
“Die Tierpfleger haben nicht genug Zeit sich mit den Tieren zu beschäftigen. Da wird die eine oder andere Katze aktuell vielleicht ein bisschen unterbeschäftigt sein. Aber es ist eine Notlage, da muss man natürlich schauen, dass man das Nötigste schafft.”
Kristina Berchtold, Pressesprecherin des Tierheims München
Tiervermittlung in Zeiten einer Pandemie
Aufgrund der aktuellen Hygiene-Regeln und Social Distancing ist auch die Tiervermittlung beeinträchtigt. Bisher konnten Interessent*innen einfach vorbeikommen, um sich die Tiere mal unverbindlich an zu schauen. Das geht derzeit nicht so einfach. Bevor ein fester Termin ausgemacht werden kann, um ein Tier verbindlich kennen lernen zu können, findet erst einmal eine telefonische Beratung statt, um zu klären, welches Tier in Frage kommen würde.
Das macht den ganzen Prozess komplizierter und schreckt daher natürlich ab, sagt auch Kristina Berchtold, die Verantwortliche für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Tierheim München. Deswegen und auch weil viele Menschen es sich momentan nicht leisten können ein Tier aufzunehmen, werden aktuell wesentlich weniger Tiere adoptiert.
“Die Herausforderungen wachsen täglich, denn zum einen gehen die Tiervermittlungen zurück, weil das Tierheim zur Eindämmung der Pandemie für Besucher*innen schließen musste. Die Tiervermittlung ist deshalb nur noch sehr eingeschränkt möglich, nämlich über telefonische Beratung und Terminvereinbarung. Zum anderen nehmen wir unabhängig von der Pandemie weiter Tiere bei uns auf.”
Kristina Berchtold, Pressesprecherin des Tierheims München
Die Zukunft der Tierheime
Das Tierheim München rechnet außerdem damit, dass demnächst zu dem normalen Zuwachs an neuen Tieren noch ein zweiter Ansturm kommen wird: Die Tiere der Corona-Patient*innen.
„Wir sind von dem großen Ansturm, den wir befürchtet hatten, bisher verschont geblieben. Aber wenn die Infektionszahlen weiter nach oben gehen, rechnen wir auch immer noch damit, dass wir Tiere von erkrankten Personen aufnehmen müssen.“
Kristina Berchtold im M94.5 Interview
Und dann sind da auch noch die Tiere, die aus finanziellen Gründen abgegeben werden müssen. Sollte Berchtolds Prognose wahr werden, stehen Tierheime vor einer Zukunft von überfüllten Gehegen und kaum Möglichkeiten, diese Tiere zu vermitteln.
Eingeschränkte Hilfsmöglichkeiten
Für die Tierheime bedeutet all das nicht nur mehr Arbeit, sondern auch eine zunehmende finanzielle Belastung. Die Tiere müssen schließlich alle gefüttert werden. Trotzdem nimmt das Tierheim kaum noch Sachspenden an, weil sie kontaminiert sein könnten.
Deswegen liegt die beste Möglichkeit, Tierheime derzeit zu unterstützen im eigenen Geldbeutel – in Form von Spenden und Tierpatenschaften. So unromantisch das auch sein mag.