Wissenschaft auf Social Media
Wissenschaftskommunikation ist das neue Cool
Ein wisschenschaftlicher Podcast trendet, eine Chemikerin erreicht eine Millionen AbonnentInnen auf Youtube und ein Buch über Darmbeschwerden landet auf der Bestsellerliste. Online wie auch offline werden wissenschaftliche Themen aus ihrer trockenen akademischen Ecke geholt – und das ist vielleicht erst der Anfang.
2020 markiert das Jahr, in dem die Wissenschaft zu Teilen im Internet angekommen ist. Der Prozess begann schon über die letzten Jahre, im Kontext der Debatten über den Klimawandel auf Twitter. Doch durch Corona hat der wissenschaftliche Auftritt in den sozialen Medien eine neue Dimension erreicht.
Der schlechte Ruf ist dahin
Die Kommunikationswissenschaftlerin Stefanie Molthagen-Schnöring sieht das als eine positive Entwicklung. Sie findet, dass die Wissenschaft in den letzten Jahren viel zu wenig in den sozialen Netzwerken vertreten war. Das System der Wissenschaft sieht es traditionell nicht unbedingt vor, präsent auf Social Media zu sein, sagt Molthagen-Schnöring.
Im Gegenteil, denn die Wahrnehmung war lange, dass die “richtigen WissenschaftlerInnen” den sozialen Medien fern bleiben sollen. Das hat auch etwas damit zu tun, wie man in der Wissenschaft mit neuen Informationen umgeht:
“Wissenschaft ist ja auch ein Erkenntnisprozess, der ein bisschen länger dauert. Forscherinnen und Forscher sind dann auch sehr vorsichtig zu früh über irgendwelche Erkenntnisse zu berichten, weil sie dann teilweise auch nicht wissen, wo sich gewisse Dinge hin entwickeln.”
Kommunikationswissenschaftlerin Stefanie Molthagen-Schnöring
Wenn WissenschaftlerInnen dann doch in die offene Kommunikation in den sozialen Medien gehen, dann führt die schnelllebige Natur von Plattformen wie Twitter dazu, dass auf eine Meldung direkte Kritik folgt, die mal mehr und mal weniger inhaltlich fundiert ist.
Twitter ist einfach zu kurz
Bei Twitter sieht Molthagen-Schnöring das Problem vor allem in der Zeichenbegrenzung von 280 Zeichen. Das sei einfach zu wenig, um komplexe Vorgänge gerecht erklären zu können. Doch dieses Problem kann man einfach lösen, indem man mit Bildern oder Videos arbeitet, die die Vorgänge auf eine (audio-) visuelle Weise anschaulich erklären, so Molthagen-Schnöring.
Wissenschaft und Humor
Auch offline hat sich in den letzten Jahren viel bewegt, was den Wissenstransfer zwischen ForscherInnen und Interessierten angeht. Ein Beispiel: Die Slammer Szene. Lange Zeit wurde sie auf philosophisch- poetische Themen heruntergebrochen. Nun dominieren immer mehr wissenschaftliche Themen.
In sogenannten “Science- Slams” treten Studierende und WissenschaftlerInnen gegeneinander an, indem sie ihre Forschungsinhalte in einer vorgegebenen Zeit unterhaltsam präsentieren. Die Bewertung erfolgt meist durch das Publikum und zuguterletzt wird ein Sieger oder eine Siegerin festgestellt. Das ganze erinnert an einen sportlichen Wettkampf und hat zum Ziel, wissenschaftliche Inhalte populärwissenschaftlich weiter zu vermitteln.
Dazu hat sich auch die Masterstudentin Thora Schubert entschieden. Vor drei Jahren hat sie ihr Geowissenschaften- Studium um die Slammer-Szene erweitert und seitdem gelingt es der 24-Jährigen immer wieder aufs Neue, komplexe Inhalte aus ihrer Wissenschaftsrichtung aufzugreifen und auf ehrlich- humoristische Art und Weise auf der Bühne wiederzugeben. Dabei sind es nicht immer dieselben Gesichter, die ihren Slams folgen:
“Ich finde es immer cool, wenn die Veranstalter oder Moderatoren am Anfang fragen ‘wer von euch ist heute das erste Mal bei nem Science Slam’ und das sind dann ungefähr die Hälfte der Leute. Also bei denen habe ich die Hoffnung, dass es nicht Leute sind die alles schon minutiös in der Wissenschaftswelt verfolgen, sondern dass da auch neue Leute dabei sind, die man vielleicht noch für Wissenschaft begeistern kann.”
Science-Slammerin Thora Schubert
Corona als Katalysator
Denn darum soll es gehen. Eine Brücke zu bauen, die es auch “Nicht- WissenschaftlerInnen” leicht macht, den Zugang zu Themen zu finden, die die ganze Gesellschaft betreffen, aber teilweise durch ihre Komplexität auf Unverständnis stoßen. So beispielsweise auch die Corona- Pandemie. Das neuartige Virus SARS-CoV-2 wurde teilweise kritisch aufgefasst, da die rasante Ausbreitung und die damit verbundenen Maßnahmen für die breite Masse nicht auf Anhieb verständlich waren. Diese Herausforderung für Politik und Gesellschaft hat aber auch viel Anreiz geschaffen, sich mit wissenschaftlichen Themen zu beschäftigen, meint auch Thora Schubert:
“Das Thema Corona hat für viele Leute das Thema Wissenschaft viel mehr in den Fokus geholt. dass sie sich bewusst darüber wurden, dass man sich damit auseinandersetzen sollte und dass sie es aktuell vielleicht gar nicht so tun. Ich kann mir vorstellen, dass das der Beliebtheit von Science- Slams guttun wird.”
Science-Slammerin Thora Schubert
Ende September fand die Denkfabrik #factorywisskomm statt. Dort diskutierten Thora Schubert, Christian Drosten und weitere VertreterInnen der Wissenschaft darüber, wie man die Wissenschaftskommunikation verbessern könne. Solche Events helfen der Wissenschaft, Inhalte online, als auch offline verständlich verfügbar zu machen. Der Spagat zwischen Zugänglichkeit und Fachlichkeit ist schwer, aber der Wissenschaftskommunikation sind genügend Werkzeuge gegeben.