Landwirtschaft neu denken

Wie geht denn So(Lawi)was?

/ / Bild: unsplash/ Elaine Casap

Viele Menschen kaufen im Supermarkt mit großer Selbstverständlichkeit ein und wissen nur selten, woher die Lebensmittel kommen. Das Konzept der Solidarischen Landwirtschaft möchte daran etwas ändern und bringt Verbraucher:innen und landwirtschaftliche Betriebe wieder zusammen.

Erdbeeren im Winter, Rosenkohl im Sommer, einzeln abgepackte Gurken und glänzende Äpfel. Noch nie hatten Verbraucher:innen einen so großen Zugang zu Obst- und Gemüse wie heute. Doch perfekt geformtes Gemüse und importierte Früchte haben ihren Preis: Lange Transportwege belasten das Klima, Erntehelfer:innen werden oft schlecht bezahlt und hat der Salat Löcher oder der Apfel eine Macke, wird beides oft aussortiert und weggeschmissen. Das wollen einige Menschen nicht hinnehmen. Ihr Gegenkonzept: Solidarische Landwirtschaft (SoLawi). Dafür schließen sich landwirtschaftliche Betriebe oder Gärtnereien mit einer Gruppe privater Haushalte zusammen, tragen gemeinsam die Kosten und teilen am Ende des Tages die Ernte untereinander.

DIE ENTSTEHUNG VON SOLIDARISCHER LANDWIRTSCHAFT

Die Geschichte der SoLawi reicht viele Jahrzehnte zurück. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschleunigte sich die Entwicklung von der damaligen Agrar- zur heutigen Industriegesellschaft. Arbeiteten die Eltern noch als Bauern und Bäuerinnen, entschieden sich die Kinder immer öfter für einen Branchenwechsel, zogen in die größeren Städte und lernten Berufe in anderen Wirtschaftsbereichen. Gleichzeitig steigerten künstliche Dünger, industriell produzierte Futtermittel und effizientere Maschinen die Ertragsfähigkeit der Landwirtschaft enorm. Sie halfen dabei, eine Gesellschaft zu ernähren, die sich nicht mehr länger selbst versorgen wollte und konnte.

Gärtnerei des “Kartoffelkombinats”, einer Münchner Genossenschaft, die SoLawi betreibt.
Die bunten Blumen sehen nicht nur hübsch aus, sondern locken auch zahlreiche Insekten an.

Doch Industrialisierung und Globalisierung haben ihre Schattenseiten. Als Reaktion auf Lebensmittelskandale und ökologische Ungerechtigkeiten entstanden schon früh erste Gegenentwürfe. Einer der ersten war die Teikei-Bewegung in Japan, während der sich in den 1960er- und 1970er-Jahren direkte Partnerschaften zwischen Verbraucher:innen und landwirtschaftlichen Betrieben entwickelten. Mit der Zeit erkannten auch die westlichen Länder die Vorzüge einer solchen Zusammenarbeit. In den USA etablierte sich die sogenannte “Community Supported Agriculture” (CSA) und auch in Deutschland schlossen sich nach und nach Erzeuger:innen und Verbraucher:innen zusammen. Die Solidarische Landwirtschaft war (wieder-)geboren. 2011 gründete sich das bundesweite Netzwerk Solidarische Landwirtschaft, dass heute zahlreiche Höfe, Vereine, Genossenschaften, Förderer:innen und Interessierte in Deutschland vernetzt.

WIE FUNKTIONIERT’S?

Ziel der SoLawi ist es, sich Verantwortung, Risiken, Kosten und Ernte zu teilen. Wird beispielsweise mit einer Gärtnerei zusammengearbeitet, so schätzt diese ihre Jahreskosten ab, die dann in Form eines festgesetzten monatlichen Betrags durch die Verbraucher:innen bezahlt werden. Das System bietet den Betrieben somit eine größere Sicherheit, die feste Anstellungen und faire Löhne ermöglicht.

Auf die Verbraucher:innen wartet dann ein Teil der Ernte, oftmals in Form von wöchentlichen Obst- oder Gemüsekisten. Die in Vereinen oder Genossenschaften organisierten Mitglieder können und sollen oftmals auch selbst mit anpacken. So bieten viele Höfe oder Gärtnereien gemeinsame Ernte-Treffen und auch die Auslieferung der Ernte wird gemeinschaftlich organisiert.

“Das Gemüse verliert seinen Preis und gewinnt seinen Wert zurück”, ist ein gern zitierter Satz, wenn es um SoLawi geht. Durch die enge Verbindung zum Anbau und der Herstellung ihrer Lebensmittel erfahren viele Verbraucher:innen einen neuen Bezug zu ihrem Konsum und auch zu ihrer Ernährung. Die Solidarische Landwirtschaft möchte für die Qualität von Obst und Gemüse sensibilisieren und zeigen, dass auch der Apfel mit der Macke noch genießbar sein kann. Die Ernte unterscheidet sich je nach Saison und so weicht die Selbstverständlichkeit, mit der Obst und Gemüse oft gekauft wird, einem neuen Gefühl für Saisonalität und Regionalität.

LOHNT SICH SOLAWI FÜR JUNGE MENSCHEN?

Die Kosten, die bei Solidarischer Landwirtschaft auf die Verbraucher:innen zukommen, sind nicht günstig und gerade für jüngere Menschen nicht immer tragbar. Mitglieder müssen mit monatlichen Kosten um die 80 Euro rechnen. Doch manche Genossenschaften oder Vereine bieten auch vergünstigte Abos für einen geringeren Ernteanteil an und für WGs bietet sich eine Gemüse-Abo zum Teilen an. Eine weitere Option neben der Solidarischen Landwirtschaft sind gemeinschaftliche Gärten, die gerade in den Städten immer mehr an Beliebtheit gewinnen. Hier können Beete gepachtet oder freigegebene Flächen gemeinsam genutzt und bepflanzt werden.

Gemüse selbst anbauen und ernsten – für viele Menschen heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr.
Auch in München bringen Gemeinschaftsgärten mehr Grün in die Viertel – wie hier im “Stadtacker” in Schwabing.

ANGEBOTE IN MÜNCHEN

Auch in München und Umgebung gibt es die Möglichkeit, an Solidarischer Landwirtschaft oder Gemeinschaftsgärten teilzuhaben. Auf der Seite “urbane gärten münchen” finden sich zahlreiche Infos und Anlaufstellen. Wer sich bundesweit informieren möchte, kann die Webseite “Solidarische Landwirtschaft” besuchen.

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Mehr Informationen
Für die neue M94.5 TO GO-Podcastfolge hat unsere Redakteurin Louisa Albert eine SoLawi und zwei Gemeinschaftsgärten in München besucht und zum Thema Solidarische Landwirtschaft recherchiert.