M94.5 Filmkritik
Werk ohne Autor
Schön ist der neue Film von Florian Henckel von Donnersmarck schon, aber was „Werk ohne Autor“ an visueller Stärke mitbringt, fehlt ihm teilweise an Tiefgang.
Für Das Leben der anderen hat er einen Oscar bekommen, für The Tourist eher Spott. Regisseur Florian Henckel von Donnersmarcks dritter Film Werk ohne Autor soll sein Comeback sein. Mit dem neuen Film möchte er das Wesen von Kunst verstehen. Ein sehr ambitioniertes Vorhaben, mit eher fragwürdigem Erfolg.
Niemals wegschauen
Werk ohne Autor beginnt 1937 in Dresden. Der kleine Kurt Banert ist mit seiner Tante Elisabeth in einer Ausstellung für entartete Kunst, mit Werken von Kandinsky, Klee und Co. Der Museumsführer hält nichts von den Werken und sagt, Kunst habe nur mit Können zu tun. Elisabeth gesteht dem Jungen aber, dass sie die Bilder toll findet. Auf dem Rückweg stellt sie sich inmitten eines Busparkplatzes in das Scheinwerferlicht. Um sie herum ertönen die Hupen. „Alles, was wahr ist, ist schön“, sagt sie zu ihm – das wird Kurt nie vergessen, denn kurz darauf wird Elisabeth weggebracht. Sie hat Schizophrenie, ist „anders“ laut der Nationalsozialisten und wird deshalb im Rahmen des Euthanasieprogramms sterilisiert und vergast.
Der englische Titel des Films lautet Never look away und der Zuschauer kann wie Kurt im Film nicht wegschauen, obwohl man das manchmal möchte. Vom Eintritt in die Kammer bis zum Aufdrehen des Gashahns sieht der Zuschauer alles, aber die Szene geht noch weiter, der kleine Kurt sieht, wie Dresden brennt, eine Mutter und ihr Kind werden in den Flammen begraben, Kurts Brüder an der Front erschossen. Ob dazu dramatische Klassikmusik im Hintergrund nötig ist, ist fragwürdig. Die Szene ist viel umstritten, Donnersmarck wird vorgeworfen, die Würde der Opfer des Nationalsozialismus nicht zu achten.
Keine Künstlerbiographie
Inspiriert ist Kurts Geschichte von der des deutschen Malers Gerhard Richter. Dessen Tante wurde ebenfalls Opfer des Euthanasieprogramms. Später kam heraus, dass Richters Schwiegervater aus erster Ehe der Chefarzt an der Frauenklinik war, an die Richters Tante gebracht wurde, und darüber hinaus involviert im Euthanasieprogramm. In diesen Dingen lehnt sich der Film an Richters Leben an, aber Werk ohne Autor ist keine klassische Biografie. Der Film ist ambitioniert und emotional intensiv, aber mit über drei Stunden zu lang und teilweise verwirrend und zu wenig tiefgründig.
In Dresden besucht Kurt zunächst die Kunstakademie, wird gefeierter Maler des Sozialen Realismus in der DDR und heiratet seine Jugendliebe Ellie, dessen Vater beteiligt an Elisabeths Mord war. Das realisiert den Film über allerdings niemand, für den Zuschauer ist das sehr unbefriedigend, aber leider ist das oft real. Kurt ist mit dem eingeschränkten Leben und der vorgegebenen Kunst in der DDR nicht zufrieden und das Paar flieht in den Westen. Neben Kurt und vielleicht seinem Schwiegervater sind die meisten Nebencharaktere eindimensional und oberflächlich. Auch Ellie bleibt im Hintergrund als Kurts liebende Frau und schließlich Mutter seines Kindes. Ihre eigenen Motivationen, Ambitionen und Gefühle werden kaum thematisiert.
Künstlerische Erleuchtung?
In der BRD versucht Kurt, an der Kunstakademie in Düsseldorf etwas Neues zu schaffen, eine Idee zu haben, weg von der „veralteten“ Malerei zu gehen. Denn nur so kann er richtige Kunst schaffen – zumindest versuchen ihm das seine Kommilitonen einzuprägen. Den Durchbruch schafft er aber erst mit der Hilfe seines mysteriösen und exzentrischen Kunstprofessors, angelehnt an Joseph Beuys. Danach erfährt Kurt eine Art Erleuchtung: Dabei bringt er in einem Bild seine Tante und seinen Schwiegervater und Mithelfer bei ihrem Tod unbewusst zueinander.
Donnermarck möchte damit wahrscheinlich die Macht der Kunst ausdrücken. Für den Zuschauer ist diese künstlerische Erleuchtung aber ein wenig plötzlich und nicht wirklich nachvollziehbar. Werk ohne Autor versucht, sich mit der Frage „Was ist Kunst und welche Auswirkungen hat sie?“ zu beschäftigen – bleibt dabei aber viel zu oberflächlich. Als Kurt schließlich selbst im Scheinwerferlicht der Busse steht und die Hupen ertönen, in Gedanken an seine Tante, ist das zwar ein schönes Ende, fühlt sich aber unverdient an.
“Werk ohne Autor” kommt am 04. Oktober 2018 in die deutschen Kinos.