Kyrie Irving im Moraldisput
Ein Allstar auf Abwegen
Erst antisemitische Inhalte teilen und nur drei Monate später scheint alles vergessen. Das ist aktuell die groteske Story, die um Basketball-Star Kyrie Irving kreist. Noch im November hatte Irving seinen Follower:innen einen antisemitischen Film empfohlen. Trotzdem darf der Aufbauspieler Sonntagnacht im prestigereichen NBA All-Star-Game auflaufen. Dabei ist die „All-Star-Auszeichnung“ mehr als nur eine sportliche Ehrung.
Es ist eines der Highlights der NBA-Saison. Zum Abschluss der ersten Saisonhälfte findet jährlich das “NBA-All-Star-Game” statt. Fans, Journalist:innen sowie Verantwortliche der Teams und der NBA wählen die für sie besten Spieler der laufenden Saison. Diese treten dann in einem Freundschaftsspiel gegeneinander an. Die Fans bekommen ein Spiel der „Besten der Welt“. Und vor allem für die Kids ist es immer wieder besonders: Sie erleben alle ihre Vorbilder gemeinsam auf dem Court.
Skandalchampion Kyrie Irving
Dass Kyrie Irving dabei auf dem Court steht, stellt die Frage nach der Vorbildfunktion eines All-Stars noch einmal neu. Der Aufbauspieler hat bisher eine starke Saison gespielt. Sportlich gesehen ist seine Nominierung mehr als nur gerechtfertigt. Für die Spieler aber ist die Auszeichnung nicht nur eine sportliche Ehrung. Denn das „All-Star-Game“ ist eine wichtige Bühne der Selbstvermarktung. Ein Wochenende lang blickt die gesamte Basketballwelt ausschließlich auf die wenigen ausgewählten Spieler. Dadurch rückt die Persönlichkeit des Einzelnen stärker in den Vordergrund als sonst. Und persönlich hatte sich Irving schon vor seinen zweifelhaften Filmempfehlungen den ein oder anderen Fauxpas erlaubt.
Als Flat-earthler machte er sich 2018 zum Meme. Mit seiner Anti-Coronaimpfungs-Haltung während der Corona-Pandemie stieß er auf viel Unverständnis bei seinen Mitspielern. Einem Fan seines Ex-Vereins, der Boston Celtics, zeigte er vergangenes Jahr den Mittelfinger. Während Fans diese Punkte allerdings noch als „vergleichsweise harmlos“ einstufen könnten, hat er Ende Oktober eine Grenze überschritten, die ihm jegliche Vorbildfunktion nimmt:
Irving postete einen Link zu einem antisemitischen Film und verweigerte anschließend tagelang eine Entschuldigung. Erst nachdem sich Nike vom Superstar abgewandt und sein damaliges Team, die Brooklyn Nets, ihn suspendiert hatten, fühlte sich Irving dazu verpflichtet, mal kurz „sorry“ zu sagen. Aber wie aufrichtig sind solche späten Entschuldigungen wirklich? Hat Irving wirklich verstanden, was er falsch gemacht hat? Sollte so eine Persönlichkeit wirklich ein Vorbild von Millionen basketballbegeisterten Kindern und Jugendlichen sein?
Sport und Politik sind unzertrennbar
Es bleibt mehr als ein fader Beigeschmack, wenn Kyrie Irving im All-Star Trikot auflaufen wird. Tausende Fans in der Halle und Millionen Menschen vor den Fernseh- und Streaminggeräten zu Hause werden auch ihm begeistert zujubeln. Für sie steht in diesem Moment vermeintlich der Sport und das Entertainment im Vordergrund – Irving hingegen kann aller Voraussicht nach beim All-Star-Game sein Image problemlos polieren, neue Fans gewinnen und neue Werbeverträge abschließen.
Was jedoch bleibt, ist seine kontroverse Persönlichkeit. Daher sollte die Basketballwelt nicht abwarten, bis Irving sich den nächsten Skandal leistet. Die NBA sollte endlich lernen, dass Sport und Politik nicht voneinander zu trennen sind. Sportliche Leistung und Entertainment dürfen nicht über der Moral stehen – selbst wenn sich mit der kein Geld verdienen lässt.