M94.5 Kulturkritik

Wash your Brains!

/ / Bild: the artist, Courtesy Sammlung Goetz, München

Kurz bevor das Haus der Kunst in München wegen des Coronavirus geschlossen wurde, waren wir noch in der Ausstellung “Brainwashed”. Wir nehmen Euch mit auf einen kleinen Rundgang durch die Werke der multimedialen Kunst – und bringen Euch die Bilder vor Augen nach Hause.

In Zeiten des Internets gehört die multimediale Reizüberflutung schon fast zum Alltag. Doch schon vor gut 20 Jahren so. Schon damals hatten die Manipulation und Idealisierung durch Medien mit Reality-TV, größenwahnsinnigen Hollywood-Produktionen und Starkults ein zuvor nie dagewesenes Maß angenommen. Mit dieser Phase des popkulturellen Mainstreams beschäftigt sich die Ausstellung “Brainwashed” in der Sammlung Goetz im Haus der Kunst.

Eine junge Frau mit kurzen, schwarzen Haaren steht im Profil vor einem Tisch mit einer Art Kanister. Dabei sprudelt unablässig Milch aus einer Öffnung des Gefäßes. Mit rhythmischen Bewegungen des ganzen Körpers nähert sich die Frau immer wieder der Öffnung und fängt die austretende Milch mit ihrem Mund auf. Schon in einem der ersten Räume des “Bunkers” der Sammlung Goetz im Haus der Kunst kann man dieses etwas verstörende Video betrachten, während man dabei auch noch von wildem Punkrock beschallt wird.

Das visuelle Kunstwerk der US-amerikanischen Künstlerin Cheryl Donegan trägt den Titel “Head” und zeigt auf unterschiedlichen Ebenen auf, was einen bei “Brainwashed” zu erwarten hat: Der popkulturelle Bezug durch die Punk-Musik, die stark sexuell anmutenden Bewegungen der Künstlerin und die poppigen Farbkontraste im Video – all dies sind Elemente, die in der einen oder anderen Form in vielen Werken der Ausstellung zu finden sind.

Der kleinste gemeinsame Nenner bei allen Stücken bleibt aber das Medium der Video-Kunst. Die kleinen Räume entlang des mit Neonlampen beleuchteten Ganges des Bunkers stellen sich dabei als idealer Platz für die Video-Kunstwerke heraus. In jedem Kabinett betritt man eine visuell komplett neue Welt.

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Video zu “Head”

Tragisch bis komisch

Doch trotz vieler Gemeinsamkeiten sind die Ansätze, mit denen die Themen Mainstream, Manipulation oder Popkultur behandelt werden, durchaus divers. So muss man bei Paul Pfeiffers Installation “Live Evil (Bucharest)” in die hinterste Ecke des Raumes treten, um die digital bearbeitete Aufnahme eines Michael-Jackson-Konzerts zu betrachten. Hier wird die Unnahbarkeit eines Pop-Superstars mit dem erzwungenen Annähern durch den Besucher hinterfragt. Der Minimalismus und die Stille dieser Kammer stehen dabei im extremen Kontrast zur Reizüberflutung anderer Kunstwerke wie z.B. dem extravaganten Video von assume vivid astro focus.

Das brasilianische Künstlerduo konfrontiert den Besucher mit einem vor wilden Farben und Mustern nur so strotzendem Kabinett, in dem ein Musikvideo an die Wand projiziert wird. Darin perfomen bis zur Unkenntlichkeit geschminkte Schauspieler extrovertierte Tänze zum Song “Walking on Thin Ice” von John Lennon und Yoko Ono. Hier werden die klassischen Geschlechterrollen der MTV-Musikvideo-Ära auf den Kopf gestellt.

Meistens bleiben die Videos ähnlich abstrakt und bieten jede Menge Interpretationsspielraum. Eine Ausnahme stellt das Werk “Whispering Pines 9” von Shana Moulton da. In diesem Werk zeigt sich eine deutlich mehr zusammenhängende Geschichte. Dabei behandelt Moulton in ihrem Kurzfilm sowohl Kapitalismus wie auch Spiritualität mit so viel Witz und komischer Tragik, dass man lachen und weinen möchte.

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Video zu “Whispering Pines 9”

Eindrücke mit Nachgeschmack

Am Ende des Ganges durch das Kellergewölbe lässt einen “Brainwashed” sowohl nachdenklich als auch ein wenig überfordert zurück. Die kontrastreiche Mischung aus sowohl schrillen und farbigen wie auch ruhig-meditativen Videos braucht erstmal seine Zeit zum Verarbeiten. Nimmt man sich diese aber und reflektiert über das Gesehene, ist es wirklich beeindruckend, mit welcher Vielschichtigkeit komplexe Themen des multimedialen Zeitalters in der Ausstellung behandelt werden.

So ist nicht jedes Werk so subtil wie das verträumte “I’m Victim of this Song” von Pipilotti Rist, und nicht jedes so humorvoll wie Bjørn Melhus’ “The Oral Thing”. Jedoch hat jedes Video seinen individuellen Charme und seine ganz eigene Faszination. Lässt man sich von dieser Faszination aber nicht zu sehr blenden, wird einem schnell schmerzlich klar, wie sehr wir uns doch tagtäglich durch unseren Medienkonsum bereitwillig beeinflussen lassen.