Tiere und Corona
Fressen und gefressen werden
Zootiere könnten aus finanzieller Not geschlachtet und zu Futter für andere Tierparkbewohner werden – ein Zoo in Schleswig-Holstein hat mit dieser möglichen Maßnahme Aufsehen erregt. Wie positionieren sich bayerische Zoos in Bezug auf die Ausnahmesituation?
Mitte April hatte der Zoo Neumünster mit einem Schlachtungsplan für den finanziellen Notfall für Meldungen bis in den internationalen Raum gesorgt: Durch die zeitweilige Schließung des Zoos sei man in einer prekären Lage und sähe sich schlimmstenfalls dazu gezwungen, einzelne Tiere zu schlachten, hieß es von Seiten des Zoos. Auch, um so Futter für andere Tiere zu gewinnen. Die Corona-Krise trifft auch Tierparks in Bayern, die wegen der Schließungen auf die sonst reichlichen Besucher während der Osterferien verzichten mussten.
Notfallschlachtpläne – ein Einzelfall?
Der Münchner Tierpark Hellabrunn hat voraussichtlich noch bis zum 10. Mai geschlossen. Stand letzter Woche bedeutet das bereits jetzt Einbußen von mindestens zwei Millionen Euro. Denn die laufenden Kosten für Futter, Pflege und Reinigung bleiben bestehen. Dagegen ist die Haupteinnahmequelle, die Ticketverkäufe, gänzlich weggebrochen. Von Schlachtungen aufgrund der außergewöhnlichen Lage will man hier dennoch nichts wissen: „Eine Liste mit Notschlachtungsplänen wegen finanzieller Schwierigkeiten lehnen wir kategorisch ab und ist für uns indiskutabel. Solche Pläne existieren bei uns definitiv nicht”, sagte die Sprecherin des Tierparks.
Im Zoo Augsburg hingegen schließt man Schlachtungen als letzte Lösung in der finanziellen Notlage nicht aus. Auch wenn eine Sprecherin des Zoos betont, dass durch die Schlachtung von Tieren nicht unbedingt große Einsparungen gemacht werden könnten. So würde ein*e Tierpfleger*in monatlich deutlich mehr zu Buche schlagen als beispielsweise ein Tiger. In Augsburg werden Einbußen von mindestens einer Million Euro verzeichnet. „Derzeit sparen wir, wo es geht“, sagte die Sprecherin – beispielsweise durch Kurzarbeit. Ebenso verzichte man derzeit auf Investitionen. Laut der Sprecherin des Zoos stammt ein Großteil des hier verfütterten Fleisches von außerhalb der Zoomauern. Dennoch käme es auch vor, dass Zootiere geschlachtet würden, um dann als Futter für andere Tiere zu dienen. In Hellabrunn in München kommt nach eigener Aussage lediglich ein Anteil im Promille-Bereich des verfütterten Fleisches von zooeigenen Tieren.
„Das Bison, was wir verfüttern, das kennen wir”
Im Tiergarten Nürnberg gehört es laut einer Sprecherin zum Zoo-Alltag, Tiere aus dem eigenen Bestand zu verfüttern. Billigfleisch vom Schlachter sei zwar günstiger, aber in Nürnberg lege man auch Wert auf Nachhaltigkeit, so die Sprecherin. Wenn ein Tier beispielsweise wegen seines Geschlechts nicht mehr in die Herde passte, würde es so herausgenommen, dass es für die anderen Tiere der Herde klar erkennbar sei. Das sei für die soziale Struktur wichtig. Nach einer tierschutzkonformen Tötung werde es dann zu Futter für die Fleischfresser im Park, sagte die Sprecherin. Das sei unter anderem auch sinnvoll, da es für die Raubkatzen artgerechter ist, Fleisch mit “Haut und Haaren” gefüttert zu bekommen. Laut dem Tiergarten achte man in Nürnberg darauf, dass circa ein Viertel des verfütterten Fleisches aus der eigenen Herstellung komme. Den medialen Aufschrei wegen der Schlachtpläne in Neumünster kann man sich hier deshalb nicht erklären.
Eine finanzielle Notlage
Die enormen Umsatzeinbußen, von denen die Zoos in Bayern berichten, sind nicht einfach mit Notschlachtungen aus der Welt zu schaffen. Der Augsburger Zooverband hat sich nach Angaben des Zoos bereits an Bund und Länder gewandt, da für diesen aktuell keiner der angebotenen Rettungsschirme infrage kommt. In Hellabrunn sind die Einschnitte auch trotz namhafter Sponsoren wie Nestlé und Coca-Cola zu spüren. Und obwohl sowohl Augsburg als auch Hellabrunn von gesteigertem Rückhalt aus der Gesellschaft durch Online-Ticketkäufe und Tierpatenschaften berichten, blickt man hier in eine schwierige finanzielle Zukunft. Und die Schließung von Zoos bedroht nicht nur ihre Bewohner: Auch die Jobs der Zweibeiner, deren Lebensunterhalt ebenfalls an den Eintrittsgeldern hängt, sind durch die Schließungen aufgrund der aktuellen Lage nicht mehr sicher.