Deutschlands Schüler in der Home-School

Guter Ersatz, aber keine Dauerlösung

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11 Millionen Schüler*innen sitzen in Deutschland seit einem Monat zuhause – Home Schooling ist angesagt. Jetzt steht fest: Ab dem 4. Mai soll der Schulbetrieb schrittweise wieder aufgenommen werden – beginnend mit den Abschlussklassen und den obersten Grundschulklassen. Aber wie wichtig ist ein Lehrer bzw. Präsenzunterrichteigentlich für den Lernerfolg – und warum?

Einen Monat ist es jetzt her, dass in Bayern wegen der Corona-Pandemie die Schulen geschlossen wurden. „Vollkommen unvorbereitet hat es uns nicht getroffen, wir haben uns schon vorher einige Gedanken gemacht, was wäre wenn“, berichtet Lehrer Thomas Mehringer. Er unterrichtet am Kelheimer Donau-Gymnasium in Niederbayern Deutsch und Geschichte und gehört auch zur Schulleitung. Nach erwartbaren Anfangsschwierigkeiten habe das E-Learning „erfreulich gut und reibungslos funktioniert“, so Mehringer. Ähnlich berichtet auch Schüler Bernd, bei dem das Abitur ansteht. „Ich bin eigentlich sehr zufrieden damit, wie es läuft, und fühle mich an sich gut vorbereitet“, erzählt der 18-Jährige.

Thomas Mehringer unterrichtet Deutsch und Geschichte.
Bild: Mehringer

So läuft das Home-Schooling ab

Die Abläufe zwischen Lehrer und Schüler sind an vielen bayerischen Schulen ähnlich: Aufgaben, Lösungen, Hefteinträge, Erklärungen und Co. gehen per Mail an die Schüler – oder bei Grundschulen und der Unterstufe meist noch an die Eltern. Dazu gibt es je nach Alter Tages- oder Wochenpläne für die Schüler. Dennoch gibt es zwischen den Schulen und auch zwischen einzelnen Klassen und Kursen Unterschiede. 11. Klässlerin Alana erklärt: „Einige Kurse haben bei uns über das Videokonferenzprogramm Zoom Online-Unterricht gehabt, aber nicht alle – ich zum Beispiel überhaupt nicht.“

Manche bayerischen Schulen schaffen es mittlerweile sogar – durch Videokonferenzen über Zoom oder Microsoft Teams – den kompletten Stundenplan digital aufrecht zu erhalten. Das ist aber eher die Ausnahme als die Regel; Einigen Familien müssen die Aufgaben sogar noch per Brief zugeschickt werden.

Warum wir Lehrer überhaupt noch brauchen

Was beim Home Schooling – ohne Videokonferenzen – aber weitgehend fehlt, ist die Möglichkeit, dass die Schüler nachfragen, wenn sie etwas nicht verstehen, und dass der Lehrer individuell auf sie eingeht. Pädagogik-Professor Dr. Thomas Eckert erklärt: „Es ist vor allem der soziale Kontakt unter den Schülerinnen und Schülern, aber eben auch mit Lehrerinnen und Lehrern, der uns zu so etwas wie Bildung führt. Wichtig ist die zwischenmenschliche Kommunikation und die gemeinsamen Erlebnisse.“
Auch Mehringer sieht das Versorgen der Schüler mit Unterrichtsmaterialien als auf Dauer nicht ausreichend für einen erfolgreichen Lernprozess an: „Es braucht beim Lernen einfach ständige Rückmeldung zwischen Lehrer und Schüler, verbal und nonverbal. Ein Schüler wird sonst auch nur sehr schwer einschätzen können, ob er etwas wirklich richtig verstanden hat oder nicht, was zudem sehr verunsichernd wirkt.“

Prof. Dr. Thomas Eckert
Bild: LMU

Kurz gesagt: „Materialien und Texte sind sicher eine notwendige Bedingung für das Lernen, keinesfalls aber eine hinreichende“, stellt Eckert klar. Die meisten Eltern geben sich zwar große Mühe, ihre Kinder zu unterstützen, sind aber auch nur Menschen und können einen Lehrer natürlich nicht adaquät ersetzen. Spätestens ab der 7. oder 8. Klasse können sie ihren Kindern in der Regel nicht mehr weiterhelfen. Und auch die Schüler tun sich mit den aktuellen Bedingungen schwer: Ständig bestehe die Sorge, dass man doch größere Lücken habe als gedacht, sagt Alana: „Man weiß nie, ob es reicht, was man für die Schule gearbeitet hat, weil man auch nie genau weiß, wie weit die anderen sind.“

Wen treffen die Schulausfälle am härtesten?

Problematisch wird es vor allem für die leistungsschwächeren Schüler, die sich sowieso schon schwer tun, den Stoff zu verstehen. Sie sind darauf angewiesen, dass die Lehrer ihnen die Inhalte gut erklären, mit Beispielen illustrieren und Fehlerquellen ausräumen. Alana urteilt: „Also in Fächern, in denen ich davor gut zurecht kam und die mir Spaß gemacht haben, war die Umstellung eigentlich ganz einfach. Aber bei Fächern, die einem vielleicht nicht so liegen, hätte ich Unterricht über Zoom oder so besser gefunden – wenigstens einmal in der Woche.“

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Besonders schwierig fällt das nun gebotene selbstständige Lernen den jüngeren Schülern, vor allem den Grundschülern. „Man kann sicher sagen, dass Präsenzunterricht vor allem in Altersstufen unersetzlich ist, in denen Schüler noch mehr Anleitung benötigen“, meint Mehringer. Und Pädagoge Eckert meint lapidar zur Wichtigkeit vom realen Gespräch zwischen Schüler und Lehrer: „Umso mehr, je jünger die Kinder sind.“

Auch das Fach spielt eine Rolle

Große Unterschiede ergeben sich zwischen den einzelnen Fächern: Während vermeintliche „Auswendiglern-Fächer“ wie Biologie oder Geschichte mit Materialien noch relativ zufrieden stellend abgedeckt werden können, leben geisteswissenschaftliche Fächer wie Deutsch, Religion und vor allem Sprachen vom Diskurs und von der Gruppe. „Fächer, die von Interaktion und ständigem Austausch, Abgleich von Meinungen, Diskussionen geprägt sind, sind wohl stark betroffen“, bestätigt Mehringer. In Mathe funktionieren Übungen, Wiederholungen und leichter Stoff im virtuellen Unterricht ganz gut – schwieriger neuer Stoff ist aber einfach zu erklärungsbedürftig und ein Lehrer kaum ersetzbar.

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Natürlich ist die Möglichkeit, beim Lehrer nachzufragen, nicht aus der Welt. „Die Lehrer waren bei uns zum Glück eigentlich alle gut erreichbar und auch bereit dazu, etwas nochmal zu erklären oder einen Lösungsvorschlag zu schicken. Aber trotzdem ist das einfach noch ein bisschen schwerer, als mit der Person persönlich reden zu können“, erklärt Alana.

Nicht alles ist negativ

Die aktuelle Situation hat aber nicht nur Nachteile für Schüler und Lehrer. „Vorteile sehe ich in zweierlei Hinsicht: Zum einen werden natürlich die digitalen Kompetenzen der Schüler geschult und zum anderen auch das selbstständige Lernen“, argumentiert Mehringer. Und auch die digitalen Kompetenzen der Lehrer erfahren so eine – bei einigen – dringend notwendige Aktualisierung. Denn dann bieten einzelne Aspekte des Online-Unterrichts auch für die Zukunft große Chancen.

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