Kommentar
“Die Bahn betreibt Klassenaufteilung. Wortwörtlich!”
Der Parteivorsitzende der Linkspartei Bernd Riexinger will die 1. Klasse in Zügen abschaffen. Das hat zu starken negativ Reaktionen der Deutschen Bahn, Fahrgastverbänden und dem Verkehrsbund geführt. Dabei ist das eigentlich eine sehr sinnvolle Idee. – ein Kommentar von Lena Gerber.
Platzmangel gibt’s überall im Zug, oder?
Zug fahren ist besser für die Umwelt. Zwischendrin mal aufstehen oder Dinge erledigen, die beim Autofahren von stark unpraktisch bis illegal reichen, sind weitere Vorteile. Also eigentlich ist Bahnfahren super. Bis der Zug dann kommt und so voll ist, dass man kaum einsteigen kann.
Am Ende wird es dann häufig der Sitzplatz auf dem Boden im Gang.
49.90€ für einen klebrigen Teppichboden – Durchsage – die Klimaanlage funktioniert heute leider auch nicht, danke Deutsche Bahn.
An Haltestellen steige ich dann manchmal aus und gehe in den nächsten Wagon, wo meistens genauso wenig Platz ist. Das ganze kann man dann ein Paar Stationen lang durchspielen und dann landet man irgendwann in einem vollkommen leeren Wagon. Leer, bis auf ein oder zwei Buisness-Männer die mich meistens anschauen als wäre ich in ihr Wohnzimmer eingebrochen. Gewöhnlich sind sie männlich, haben graue Haare und einen IBM Laptop bei sich. Ganz klar, Willkommen in der 1. Klasse.
Was kriegt man für sein Geld?
Die 1. Klasse in der Bahn – eingeführt damit Leute nochmal extra Geld zahlen können für “besseren Service und mehr Komfort”. Was genau hat man aber eigentlich für Vorteile? Der wichtigste ist wahrscheinlich die Sitzplatzgarantie, die ist beim Kauf eines 1. Klasse Tickets nämlich inklusive. Sonst wird mit Ruhe, einer Tageszeitung und mehr Fußfreiheit geworben. Da ist auch gleich die Zielgruppe, die angeworben wird klar – ältere reiche Leute, die sich als zu gut empfinden, um mit den anderen Fahrgästen in einem Abteil zu sitzen.
Es gibt aber auch zwischen den verschiedenen Zügen große Unterschiede. In Regios ist die 1. Klasse oft genauso spärlich ausgestattet wie der Rest des Zugs. Da lohnt sich der Aufpreis für ein bisschen breitere Sitze wirklich gar nicht. Trotzdem gilt das alte Sprichwort: Wir sitzen alle im gleichen Boot, beziehungsweise Zug. Der kommt genauso zu spät, die Klimaanlage fällt auch in der 1. Klasse aus und die unfreundlichen Schaffner haben auch hier keine bessere Laune.
Doppelter Preis für Doppelt so viel?
Es gibt einfach nicht so viele Leute für die sich der Aufpreis lohnt. Bei der Bahncard 100 ist es ein Unterschied von 3040€, damit könnte man wahrscheinlich einen ganzen Zug kaufen. Bei den Bahncards 25 und 50 zahlt man sogar mehr als doppelt so viel für die 1. Klasse Version.
Auch bei einfachen Tickets merkt man den Unterschied. Wenn man sich den Flexpreis von München nach Berlin anschaut ist der Unterschied zwischen 1. und 2. Klasse 110,50€. Schaut man sich den Sparpreis der 2. Klasse an könnte man mit dem gesparten Geld fast wieder zurück fahren.
Das Angebot ist einfach deutlich höher als die Nachfrage. Mir kommt das so vor, als ob die Leute in der 1. Klasse einfach nur dafür zahlen würden alleine in ihrem Abteil zu sitzen und auf den Rest der Passagiere herunterzuschauen. Die umso höhere Nachfrage gibt es dann wiederum bei Plätzen in der 2. Klasse.
Hier sind Klassenfahrten, Jungesellenabschiede und eine Wandergruppe mit sieben Fahrrädern zusammen gepfercht und man kann kaum Atmen bei der stickigen Luft. Fenster darf man nämlich auch nicht öffnen und dann kramt neben dir auch noch jemand sein Salamibrot aus der Jackentasche.
In der 1. Klasse hört man nur das sanfte Klackern einer Laptop Tastatur und riecht den dezenten Duft von teurem Aftershave. Das Bordbistro ist nicht weit, der frische Kaffee bereits gekocht. Der Schaffner ist ebenfalls nach Ruhe sehnend in dieses Abteil geflüchtet. Auf dem Weg zur Toilette ist der Anzugträger mit der harschen Realität konfrontiert. Schon schnell hält er die schwitzenden, schreienden, schäbigen zweitklassigen Menschen einfach nicht mehr aus.
Abschaffen – Vorteil für Alle!
Man könnte also ganz einfach, mit dem Abschaffen der 1. Klasse, den Großteil der Leute glücklich machen. Es sind generell mehr Sitzplätze zur Verfügung, die Bahn würde somit weniger Beschwerden über fehlende Plätze bekommen und die wenigen 1. Klasse Nutzer reservieren sich halt einfach einen Platz und bringen ihre Tageszeitung selbst mit. Es gibt übrigens auch geräuschausblendende Kopfhörer für die, die ganz dringend Ruhe brauchen.
Aber was tun mit den Abteilen der 1. Klasse, wenn dafür keine Tickets mehr verkauft werden? Man kann doch das normale Volk nicht einfach für den gleichen Preis in den Luxus der Oberschicht lassen? Naja eben doch. Ob man einen Platz am Fenster oder mit Tisch hat, das ist ja auch reiner Zufall. Die Reservierung eines Platzes ist auch nicht ausgeschlossen.
Übrigens: Mit dem Abschaffen der 1. Klasse würde man auch ein Stück weit Diskriminierung abschaffen. Zur Zeit gibt es nämlich keine Möglichkeit mit dem Rollstuhl einen 1. Klasse Platz zu buchen. Also nur noch ein Grund mehr die Zwei-Klassengesellschaft der Bahn zu stürzen.