M94.5 Filmkritik
Wackersdorf
In Oliver Haffners “Wackersdorf” trifft Heimatfilm auf Polit-Drama. Mehr als eine historische Nacherzählung: Unaufdringlich politisch und aktueller denn je!
Heimatfilm mal anders
Der Bayerische Landkreis Schwandorf in der Oberpfalz: Eine Dorfgemeinde mit all ihren urigen Charakteren, eine hübsche ländliche Szenerie und ein bisschen pfiffige Blasmusik im Hintergrund: Eigentlich die perfekte Grundlage für einen Alpenkrimi. Doch davon abgesehen, dass das deutsche Kino nun wirklich nicht noch einen austauschbaren Provinz-Komödien-Krimi braucht, ist das, was Regisseur Oliver Haffner in Wackersdorf erzählt, wegen seines realen Hintergrunds deutlich ernster. Es ist eine Geschichte, die vielen Deutschen bis heute noch stark im Gedächtnis geblieben ist: Der geplante Bau der nuklearen Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) in der Gemeinde Wackersdorf.
Wackersdorf: Ein Stück Zeitgeschichte
Wackersdorf, das steht für die Anti-Atomkraftbewegung der 80er Jahre und für Hunderttausende, die sich zusammenschlossen, um gegen den Bau der WAA zu demonstrieren. Es steht aber auch für eine Politik, die sich nicht mehr zu helfen weiß und schließlich mit Wasserwerfern, Tränengas und Festnahmen gegen die Proteste vorgeht.
Wer jetzt aber dramatisch-reißerische Szenen der Widerstandskämpfer befürchtet, wird positiv überrascht: Denn Wackersdorf bleibt eher leise und damit politisch viel wirkungsvoller. In einem Heimatfilm verpackt, porträtiert Hafner den langsamen Entstehungsprozess der Proteste; vom Kleinen ins Große.
Eine Geschichte des Widerstands
Der Spielfilm begleitet den Landrat Hans Schuirer (Johannes Zeiler), der das scheinbar verlockende Angebot der WAA in Wackersdorf als Möglichkeit für Arbeitsplätze und wirtschaftlichen Aufschwung präsentiert bekommt; serviert mit einer ordentlichen Portion Schleimerei und leerem Gerede seitens der bayerischen Staatsregierung. Seine anfängliche Begeisterung weicht aber schnell Argwohn, als er beginnt, sich mit dem Thema genauer und kritischer auseinanderzusetzen. Nachdem schließlich auch in der Bevölkerung immer mehr Proteste aufkommen und von oben immer mehr Druck kommt, wird klar: Ganz so harmlos, wie die Regierung behauptet, kann das Ganze nicht sein.
Unaufdringlich, unaufgeregt, politisch
Bescheiden und damit umso wirkungsvoller dreht sich in Wackersdorf alles um politische Macht: Da wäre einerseits die Wirkungskraft und Bedeutung von politischem Widerstand in der Bevölkerung. Sie wird in einzelnen Familienschicksalen authentisch porträtiert, ohne dabei zu überzeichnen. Auf der anderen Seite steht Landrat Schuirer, dem letztendlich die Hände gebunden sind und der Teil eines politischen Machtapparats voller Rechtsbeugung, leerer Floskeln und falscher Versprechungen ist.
Das leere Gerede der Politiker kann dabei streckenweise etwas langatmig und wenig aufregend wirken und auch die Emotionalität, die sich der ein oder andere vielleicht erhofft, bleibt eher subtil. Hier gewinnt das Polit-Drama aber auch an Echtheit. Denn Wackersdorf wirkt weniger wie ein emotionaler Blick auf die Vergangenheit, sondern vielmehr wie ein mahnender Zeigefinger in die Gegenwart. Vielleicht gerade verpackt in einen bayerischen Heimatfilm, ist er so politischer und aktueller denn je.
“Wackersdorf” läuft ab dem 20. September 2018 in den deutschen Kinos.