Filmkritik

Vortex

/ / Vortex/ Bild: Rapid Eye Movies

Mit Vortex erscheint der siebte große Spielfilm des argentinisch-französischen Regisseurs Gaspar Noé. Sein bisheriges Werk zeichnet sich durch besondere Brutalität und explizite Sexualität aus. Vortex fällt da aus der Reihe – oder?

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Trailer zu Vortex

Mit Filmen wie Menschenfeind (1998), Irreversible (2002) und Enter the Void (2009) machte sich Noé im Europa der Nullerjahre einen Namen als besonders skandalöser Drehbuchautor, Schauspieler und Regisseur. In seinen Spielfilmen zeigt er stets “kaputte” Menschen, die aus dem Gerüst einer Gesellschaft herausfallen und Wege der Gewalt, der Rache oder Selbstzerstörung einschlagen. Immer wieder gerieten seine Filme in die Kritik, auf manipulativ-ästhetische Art Szenen der Brutalität zu zeigen. Eine ethische Herangehensweise ist bei Werken wie Climax (2018) kaum möglich.

In der gleichen Wohnung und doch meilenweit entfernt. Françoise Lebrun und Dario Argento als Ehepaar/ Bild: Rapid Eye Movies

Das grausamste auf der Welt: die Zeit

Der Film ist wieder künstlerisch anspruchsvoll, mit hohen ästhetischen Standards. Auf einem Splitscreen wird ein altes Ehepaar gezeigt, welches vom Alter und dem Zahn der Zeit immer weiter zersetzt wird. Ein Philosoph und Autor und eine Psychologin, welche nach und nach ihre Persönlichkeit an die Demenz verliert. Noé selbst nennt diesen seinen grausamsten Film. Denn was ist schlimmer und unausweichlicher als die Zeit, an der wir alle einmal zerbrechen werden?

Vater, Sohn und Mutter. Dario Argento, Alex Lutz und Françoise Lebrun/ Bild: Rapid Eye Movies.

Die Banalität des Alltags

Vortex nun soll mit den bisherigen Konventionen des Regisseurs brechen. In subtilen Bildern ohne lange Dialoge zeigt der Film den Alltag eines Ehepaars, das an seinem Lebensabend angekommen ist. Der Splitscreen erlaubt es den Zuschauer:innen, zu jeder Zeit beiden zu folgen und bei ihnen zu sein. Ob sie versucht einen Einkauf zu erledigen, während er mit seiner Geliebten telefoniert, oder jede:r für sich in der weitläufigen Dachwohnung unterwegs ist, ohne sich zu begegnen. So entsteht eine unerträgliche Nähe, die einem die Banalität eines Alltags herzzerreißend vor Augen führt.

Französisches Kino mit einer guten Portion Realität

Als alter Mensch an einem derart zersetzenden Portrait menschlichen Verfalls mitzuwirken, erfordert großen Mut. Die Regielegende Dario Argento und Schauspielkoryphäe Françoise Lebrun füllen ihre Rollen ganz intuitiv mit Leben und Charakter. Dadurch entsteht ein sehr vorsichtiger Film, der die Zerbrechlichkeit und Überforderung alter Menschen ohne Schmuck, dafür mit großem Respekt thematisiert. Insgesamt ist Vortex ein schlichter Film, der keine großen Gesten, keine körperliche Gewalt und aufwühlenden Biografien braucht. Für Freund:innen des französischen Erzählkinos ein Muss, für Fans von actiongeladenen Plots und schnellen Schnitten ein Don’t.

Vortex von Gaspar Noé ist seit dem 28.04. in den Kinos zu sehen. Es ist keine synchronisierte Version verfügbar, was aber nicht stört in einem Film, in dem ohnehin nicht viel gesprochen wird.