Welttag des Buches
Vom Pergament zum E-Book
Inspirierend, bildend, amüsierend und besonders jetzt in Zeiten von Ausgangsbeschränkung und Quarantäne wieder ein treuer Begleiter: Das gute, alte Buch. Zum Welttag des Buches, ist die Zeit, um sich ihm zu widmen – seiner Geschichte, seiner Entwicklung und seiner Zukunft.
Verba volant, scripta manent – Die Worte fliegen, das Geschriebene bleibt. Und vor allem besteht es ziemlich lang. Vieles, was wir über die Menschheitsgeschichte wissen, ist uns im Wesentlichen in schriftlicher Form überliefert. Denn das erste Schriftsystem existierte bereits lange vor der Erfindung des Papiers.
Zusammen mit den ägyptischen Hieroglyphen gilt die Keilschrift als erste Technik zur Fixierung von Sprache. Mithilfe eines Keils ritzten die alten Sumerer ein System von Strichen in Tontafeln. So eine Ton-Brief konnte dann schon mal ein richtiger Brocken sein.
Erleichterung verschafften – im wahrsten Sinne des Wortes – die alten Ägypter. Durch die Erfindung des Papyrus, einer papierähnlichen Rolle aus dem Mark einer Schilfpflanze, hatten sie jahrzehntelang das Monopol auf die Herstellung des begehrten Materials. Von Ägypten aus versorgten sie den ganzen Mittelmeerraum mit ihren Lieferungen.
Pergament aus Pergamon
Die Erfindung des Pergaments entstand, wie so oft in der Geschichte, aus einer Notsituation heraus. Um eine konkurrierende Bibliothek in der vorderasiatischen Stadt Pergamon zum Aufgeben zu zwingen, stellten die Ägypter ihre Lieferung an die Konkurrenten ein. Doch der Plan ging nach hinten los: Die Einwohner behalfen sich mit Häuten von Lämmern, Schafen und Ziegen – das Pergament war erfunden!
Als Schriftmaterial bewährte es sich bis ins Mittelalter. Das Buch galt als Prestigeobjekt, als Symbol für Wohlstand und Bildung war es im Wesentlichen den Adeligen und Klöstern vorbehalten.
Was allerdings niemand wusste: Während die Mönche noch in monatelanger Kleinstarbeit das wertvolle Material beschrifteten, hatten die Chinesen das Papier schon lange erfunden. Über 500 Jahre lang hielten sie ihre Erfindung geheim, sodass das Papier erst im 12. Jahrhundert über Arabien nach Europa gelangte. Papier war billiger in der Herstellung und bereitete den Weg für die Erfindung des Buchdrucks im 14. Jahrhundert durch Johannes Gutenberg. Dadurch stand das Buch und damit auch der Zugang zu Bildung einer breiteren Masse zur Verfügung.
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Erinnerungskultur
Ein Blick aus dem Heute auf die Bücher der damaligen Zeit macht deutlich, dass ihr Wert weit über die bloße Wissensvermittlung hinaus gestiegen ist. Als Träger eines kulturellen Gedächtnisses spielen Bücher eine entscheidende Rolle für die Bildung einer kollektiven Identität. Dr. Catharina Busjan ist Dozentin der Literaturwissenschaften an der LMU München. Sie erklärt das kollektive Gedächtnis als einen ständigen gemeinsamen Rückbezug auf Erinnerungen, die eine Gemeinschaft speichert.
“Ein Kollektiv stabilisiert sich über ein Selbstbild. Es sichert den eigenen Zusammenhang und den eigenen Handlungsraum. Entwürfe für die Zukunft muss ein Kollektiv ja irgendwie verabreden und das geht über die Formen des Gedächtnisses. Also was halten wir in der Vergangenheit für wichtig was wollen wir in der Zukunft tun oder nicht tun.”
Dr. Catharina Busjan, Studiengangskoordinatorin für Sprache, Literatur, Kultur und Vergleichende Indoeuropäische Sprachwissenschaft an der LMU München
Swipen statt Blättern?
Blinkist, Audible, Nextory und Co – lang ist die Liste der Anbieter, die vor allem jetzt, in Corona-Zeiten, online mit ihren Inhalten werben. Swipen statt Blättern, hören statt lesen, überfliegen statt genießen?
Das Buch ist einem grundlegenden Wandel unterworfen, Format und Inhalt werden den Bedürfnissen der digitalisierten Gesellschaft angepasst. Trotz allem wirkt sich die Digitalisierung Catharina Busjan zufolge nicht negativ auf das Buch aus.
“Eine Gesellschaft verliert nie ein Medium, das sie schon mal hatte. Es ist nur unterschiedlich, wie eine Gesellschaft mit dem Medium umgeht, also ob Medien gerade in den Vordergrund gestellt werden oder zurücktreten.”
Catharina Busjan, Lehrstuhlinhaberin für Sprache, Literatur, Kultur an der LMU München
Momentan sei der Stellenwert des Buches in unserer Gesellschaft allerdings etwas gesunken, so Dr. Busjan. Sehen könne man das an dem Aufbau der Schullehrpläne: Wo früher die Leseförderung oberste Priorität hatte, teilt sie sich jetzt den Platz mit der digitalen Erziehung.
Das muss allerdings nicht zwangsläufig ein Aus für das Buch bedeuten. Laut Dr. Busjan geht es hauptsächlich darum, wie man mit diesem Wandel umgeht. Auf diese Art betrachtet bietet eine Digitalisierung auch Vorteile: Wenn die müden Augen schon ganz eng und klein werden vom Starren auf die Buchseiten, dann müssen wir das Buch eben hören, in Kurz- oder Langfassung.