KI und Beethoven
Vom Komponisten zur Künstlichen Intelligenz
Die Digitalisierung schreitet immer weiter voran. Selbst kreative Aufgaben hat diese Entwicklung schon längst erfasst. Leblose Maschinen schreiben Bücher, malen Gemälde und sie komponieren auch Musik. So nun auch Beethovens „Unvollendete“, seine 10. Symphonie.
Nur ein paar Skizzen hat der berühmte Komponist hinterlassen. In diesem Jahr feiert Ludwig van Beethoven seinen 250. Geburtstag. Anlässlich dieses Jubiläums soll nun Künstliche Intelligenz (KI) seine unfertige Symphonie beenden.
Dass KI Musik schreiben kann, ist im Bereich des Vorstellbaren. Aber dass sie genauso komponiert wie Beethoven, dass sie seine Intentionen aus ein paar Notizen herauslesen kann, das klingt schon weniger plausibel. Doch genau daran hat sich ein Team von Musikwissenschaftlern*innen und KI-Experten*innen in Zusammenarbeit mit der Telekom gemacht.
Wie beendet ein Computer eine Symphonie?
Ähnlichen Aufgaben haben sich Wissenschaftler*innen auch schon in der Vergangenheit angenommen. Dass berühmte, unvollendete Werke auch mithilfe von KI fertig komponiert werden ist also nichts Neues. Zum Beispiel Schuberts 8. Symphonie in h-Moll. Projektleiter Dr. Matthias Röder von The Mindshift erklärt, dass sie mit diesem Projekt die Grenzen dieser Technik aber noch weiter ausweiten wollen: „Wir haben einerseits neue musikwissenschaftliche Erkenntnisse über Beethovens kreativen Prozess. Andererseits haben wir verschiedene Durchbrüche in der KI.“
Mensch und Maschine arbeiten zusammen
Ganz auf sich allein gestellt ist der Rechner aber nicht. „Es ist prinzipiell eine Kooperation zwischen Mensch und Maschine“, so Röder. Die KI wird zunächst mit sämtlichen Werken Beethovens bespeist, damit sie die bestehenden Skizzen dann im „Stil“ Beethovens zu sinnvollen musikalischen Sätzen erweitern kann. Der „Stil“ ergibt sich also aus all den Melodien, die Beethoven niedergeschrieben hat. Der Algorithmus würfelt sie neu zusammen. Begonnen wird mit den kleinsten Einheiten, die der Rechner um wenige Noten fortschreibt. Zusätzlich kommt auch der Mensch ins Spiel. Die Vorschläge der KI werden von den Expert*innen begutachtet, die besten ausgewählt und wieder in das System zurückgespielt. So entsteht ein immer längeres Werk. Der Algorithmus gibt den Musikwissenschaftler*innen also sehr viele Optionen, wie Beethoven es gemacht haben könnte. Entscheiden müssen am Ende aber noch immer Menschen.
Authentisch oder doch künstlich?
Aber klingt das Endprodukt dann auch wirklich wie vom Menschen komponiert, wie von Beethoven? „Nein.“ meint Dr. Irene Holzer, Musikwissenschaftlerin an der LMU, „Und das ist im Projekt auch nicht intendiert. Es zeigt nur, dass auch KI mit historischen Daten gefüttert und diese dann in eine Komposition umgesetzt werden kann. Das kann übrigens aber auch jeder Mensch lernen und jeder wird zu einem anderen kompositorischen Ergebnis kommen.“
Kann die KI also doch nicht mehr als ein Mensch? Helfen ihr all die Daten nicht? „Eine Komposition ist kein präzise definiertes, mathematisches Konstrukt“, erklärt Simon Seeberger, ebenfalls Musikwissenschaftler an der LMU. „Wäre dem so, würde KI den Menschen sicherlich schlagen, so wie ein Taschenrechner dies beim Kopfrechnen auch tut. Für mich sind reine Computerkompositionen eine andere Kategorie als menschliche, deshalb ist ein besser oder schlechter eine Gretchenfrage. Man muss sehen, dass Musik sich stets wandelt, und die KI hier nicht eigenständig komponiert, sondern den Stil eines Komponisten imitiert. Ich denke eine menschliche Imperfektion ist durchaus ein Faktor, der uns Menschen bei Kunst fasziniert. Zudem sind die sozialen, politischen und zeitgeschichtlichen Erfahrungen stilprägend für die Künstler.“
Die Beethoven-KI kann also auch nicht zaubern. Sie kann nur aus dem gigantischen Werk Beethovens Stile herauslesen und die Melodien neu zusammenwürfeln. Etwas wirklich Neues und Geniales, das ist kaum möglich. Die KI-Techniken haben aber noch viel Potential meint Irene Holzer: „Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass irgendein KI-System einmal auch neue Musik komponiert, die total einschlägt bei den Menschen und den Musikgeschmack neu prägt.“
Wie sehr Beethovens 10. Symphonie dann „einschlagen“ wird, kann man erst sagen, wenn sie zum ersten Mal aufgeführt wird. Ursprünglich sollte sie schon im April in Bonn ihre Premiere feiern. Aufgrund der Coronakrise wurde die Vorstellung aber auf den 10. November diesen Jahres verschoben.
Künstlicher Intelligenz gehört die Zukunft
Eines ist sicher: Egal wie schön die Symphonie dann anzuhören ist, so wie Beethoven es sich gedacht hat, wird es nicht klingen. Mit der Vorstellung, dass künstliche Intelligenzen zukünftig fortschreitend mehr Musik schreiben, wird sich aber auch jeder noch so große Skeptiker anfreunden müssen. „Nur könnte KI dann nicht in einem Konzert auftreten, Autogramme geben oder persönlich verehrt werden. Es könnte also vielleicht den Star-Kult etwas verändern“, meint Dr. Irene Holzer.