Assads Syrien
Vom Ausgestoßenen zum Mitglied der Arabischen Liga
Die Rückkehr Syriens in die Arabische Liga mit der Teilnahme von Präsident Bashar al-Assad am Gipfel im letzten Mai in Saudi-Arabien hat vor allem symbolischen Charakter. Sie spiegelt jedoch eine wichtige Veränderung in der Sichtweise der regionalen Akteure auf das Überleben der Regierung al-Assad wider, die im Widerspruch zum Westen steht.
Dem Assad-Regime ist es gelungen, durch das Erdbeben und die dafür notwendige humanitäre Hilfe so etwas wie eine Aufwertung zu erreichen. Vieles spricht dafür, dass diese Katastrophe dem Assad-Regime letztlich in die Hände gespielt hat, sowohl was die Anerkennung in der arabischen Welt als auch den Umgang der Weltgemeinschaft mit ihm angeht.
Einer der schlimmsten Kriegsverbrecher des 21. Jahrhunderts feiert ein Comeback
Syrien ist seit 2011 von der Liga suspendiert, als Assad mit einer brutalen Niederschlagung der Proteste gegen die Regierung begann, die das Land in einen Bürgerkrieg stürzte. Am 7. Mai stimmte die Arabische Liga jedoch der Wiederaufnahme Syriens zu und kündigte an, Assad zu einem Gipfeltreffen am 19. Mai in Saudi-Arabien einzuladen.
Eine Einladung von einer langweiligen, mit Diktatoren vollgestopften Gesprächsrunde mag hohl erscheinen. Für Assad ist sie jedoch der Höhepunkt einer langen Anstrengung, seine arabische Isolation zu beenden – und, so hofft er, vielleicht ein weiterer Schritt in Richtung Akzeptanz im Westen.
Die politische Lage nach 12 Jahren Krieg
Seit dem Scheitern der Genfer UN-Verhandlungen im Jahr 2016 und der Ernennung von Geir Pederson zum neuen Sondergesandte zwei Jahre später befindet sich die politische Situation in Syrien in einer Sackgasse. In der Zwischenzeit gibt es keine Fortschritte im politischen Prozess. Auch die humanitären Bedingungen sind weiterhin schlecht.
Während die Welt auf die anhaltende Gewalt in der Ukraine blickt, gibt es in Syrien einen bitteren Jahrestag: Der Bürgerkrieg im Land “feiert” im März diesen Jahres seinen dreizehnten, traurigen Jahrestag.
“Nach dem Sieg über den IS, ist es nur noch der Status Quo. Die Welt interessiert sich kaum noch für Syrien, es wird kaum noch darüber berichtet und diplomatisch passiert fast nichts mehr”, so Rudayna Baalbaky, die sich an der Amerikanischen Universität Beirut (AUB) mit dem Spezialgebiet politische Gewalt und bewaffnete Konflikte in ihrer Arbeit auseinandersetzt.
Auch in den Augen des syrischen Menschenrechtsaktivists Mohammad Al Abdallah hat sich die Lage seit einigen Jahren nicht mehr verändert: “Die Mitgliedstaaten der internationalen Gemeinschaft ziehen es vor, jedes Jahr nur ein paar Milliarden Dollar an humanitärer Hilfe zu leisten, anstatt die Krise selbst direkt zu bewältigen”. Al Abdallah ist Gründer und Leiter der Menschenrechtsorganisation Syria Justice and Accountability Center.
Russland als wichtiger Akteur in Syrien
Russland spielt seit seiner Intervention im Jahr 2015 eine wichtige Rolle in Syrien und schützt seitdem die syrische Regierung. Alle UN-Resolutionen, die nicht zugunsten des Assad-Regimes ausfallen, werden von Russland mit einem Veto belegt.
“Russland ist der Entscheidungsträger, der in Syrien das Sagen hat. Aber damit ist jeder einverstanden – niemand konkurriert mit Russland”, so Al Abdallah weiter.
Moskau, ein Verbündeter von Damaskus, hat in den letzten Jahren eine Reihe von Maßnahmen, die vom Westen unterstützt wurden, eingeschränkt und seit dem Ausbruch des Krieges vor zwölf Jahren 17 Mal sein Veto in Bezug auf Syrien eingelegt.
Krieg, Erdbeben und geschlossene Grenzen
Im Nord-Westen Syriens leben nur etwa vier Millionen Menschen – hauptsächlich Syrer:innen, die vor dem Bürgerkrieg aus den Landesteilen geflohen sind. Dieses Gebiet wird von verschiedenen Gruppen kontrolliert, die gegen die syrische Regierung kämpfen. Assad kontrolliert diesen Grenzabschnitt nicht, behauptet aber, souverän zu sein, und verweigert die Zustimmung zu den Lieferungen. Die Hilfslieferungen erfolgen auf der Grundlage einer Resolution des Sicherheitsrats aus dem Jahr 2014. Russland, Assads Verbündeter im Rat, versucht seit Jahren, die Hilfslieferungen einzuschränken oder sogar zu stoppen. Seit 2020 war die UNO auf einen einzigen Grenzposten, Bab al-Hawa, beschränkt.
Das von den Rebellen gehaltene Gebiet im Nordwesten Syriens wurde von den Erdbeben in diesem Monat schwer getroffen. Am 13. Februar teilten die Vereinten Nationen mit, dass Baschar al-Assad zugestimmt habe, die Durchreise von Hilfsgütern in die Region zu erleichtern. Diese Entscheidung, die eine ganze Woche nach den Beben getroffen wurde, kam zu spät für die Menschen, die aus Mangel an Treibstoff und schweren Maschinen unter den Trümmern gefangen waren: Sie waren bereits tot.
Al Abdallah kritisiert die verspätete Hilfe: “Die UNO ist eine gescheiterte Institution. Die UNO hat die rechtliche Anerkennung der syrischen Regierung über das Leben der Menschen gestellt. Das hat Tage lang gedauert. Die UNO hat viele ihrer Programme in Syrien falsch verwaltet und versäumt, und das Erdbeben war nur die Spitze des Eisbergs.”
Die Zukunft ist alles andere als rosig
Die humanitäre Lage gleicht einer Katastrophe, denn über 90 % der Menschen leben unter der Armutsgrenze, die gesamte Mittelschicht ist verschwunden. Das Land leidet unter einem wirtschaftlichen Fiasko. 13 Millionen Menschen sind auf Hilfe und Unterstützung von außen angewiesen, die hauptsächlich von den Vereinten Nationen und ihren Organisationen geleistet wird. Es ist aber keine langfristige Lösung in Sicht:
Das Assad-Regime hat nun seinen Platz in der Arabischen Liga zurückgewonnen. So hofft es auf finanzielle Hilfe für den Wiederaufbau von den reichen Staaten wie Saudi-Arabien und den Emiraten. Es bleibt abzuwarten, ob sich seine Träume mit dem Abbau der Sanktionen durch die EU und die USA erfüllen werden.