M94.5 FIlmkritik
Vom Gießen des Zitronenbaums
Der Künstler Elia Suleiman – Protagonist und Regisseur zugleich – reist erst von Nazareth nach Paris und dann nach New York City, um sein neues Manuskript bei einer Produktionsfirma unterzubringen. Man folgt als Zuschauer seinem oftmals absurd-komisch anmutenden Alltag.
Der stumme Protagonist
Durch die sensible Kameraführung folgt der Zuschauer dem Protagonisten – nicht nur gespielt vom Regisseur, sondern er trägt auch den gleichen Namen – mit angehaltenem Atem, wenn er durch seine Welt geht, die gar nicht so sehr die seine zu sein scheint. Er geht mit kritischem Blick durch Nazareth, beäugt verwundert seinen einen Nachbarn, wenn er Elias Zitronenbaum pflegt. Und wenn sein anderer Nachbar ihm von seinem Leben erzählt, bleibt er kühl distanziert. Denn Elia schweigt fast den gesamten Film über und lässt somit viel Raum für den Zuschauer, sich im Film einzufinden.
Die Absurdität des Alltags
Egal, in welcher Stadt Elia ist, er beobachtet immer wieder komische, choreographiert wirkende Szenen. Ob es sich dabei um den Segway-Tanz einiger Polizisten handelt, den Kampf um einen Sonnenplatz oder die Pariser Ambulanz, die einem Odachlosen ein 3-Gänge-Menü serviert. Egal, wie ungewöhnlich Elias Begegnungen werden, er bleibt stumm.
Die palästinensische Länderlosigkeit
Der Protagonist Elia macht den Eindruck, fern der Welt zu sein, keinen Zugang zu ihr zu haben. Das Einzige, das ihn verankert, ist seine Liebe zu Palästina. Auch wenn diese nicht unbedingt auf den Staat oder die Gesellschaft bezogen ist, sondern viel mehr auf das Gefühl, Palästinenser zu sein. In einer Szene ist Elia in einer Bar und bestellt traditionellen, palästinensischen Schnaps. Der Barkeeper mustert ihn und sagt: „Ihr Palestinänser seid schon ein komisches Volk. Die ganze Welt trinkt, um zu vergessen, aber ihr, um euch zu erinnern.“ Der Film ist Palästina gewidmet.
“Vom Gießen des Zitronenbaums” läuft ab 16. Januar 2020 in den deutschen Kinos.