Platte des Monats: Oktober 2018
Villagers – The Art of Pretending to Swim
Conor O’Brien zeigt mit The Art of Pretending to Swim, dass Indie-Folk auch im Jahr 2018 noch spannender klingen kann, als man das von diesem Genre erwartet hätte. Das vierte Album der Villagers vereint, was eigentlich widersprüchlich wirkt: Folk mit R’n’B und Experimentierfreude mit Zugänglichkeit.
“A lot of times when you’re playing and you don’t have any sonic landscapes behind you, everything turns into a folk song.” Kaum ein Zitat beschreibt die Entstehung von WilcosMeilenstein Yankee Hotel Foxtrot besser als dieser Satz von Jay Bennett, der maßgeblich daran beteiligt war, aus den Liedern des Albums mehr als „bloß” Folksongs zu machen. Samples, Synthesizer und eine Riege an kuriosen Klängen der verschiedensten Art haben Wilco eingesetzt, um diese klanglichen Landschaften zu erschaffen. Heraus kam eine der einflussreichsten Folk- und Countryplatten der letzten 20 Jahre.
Außer dem sehr vagen Label der Folkmusik und der damit verbundenen Verwendung von akustischen Zupfinstrumenten, hatte die Musik von Villagers bisher noch nicht allzu viel mit der von Wilco gemein. Auf unserer Platte des Monats The Art of Pretending to Swim begeht Conor O’Brien mit seinem Projekt jedoch ähnliche Pfade. The Art … ist das mittlerweile vierte Studioalbum des irischen Musikers und markiert sowohl textlich als musikalisch eine Zäsur in seiner Diskographie. Nachdem die letzte LP Darling Arithmetic von zurückgenommener Instrumentierung und persönlichen Texten geprägt war, wollte O’Brien einen Gegenentwurf dazu schaffen. Sein Hauptaugenmerk liegt deswegen dieses Mal auf den Arrangements.
The Art of Pretending to Swim ist zwar nicht das erste Villagers-Album, auf dem elektronische Klänge zu hören sind, aber eine so zentrale Rolle wie hier durften Synthie, Sampler und Co. bisher noch nicht belegen. Schon der Opener Again legt die Karten in Form eines Loops aus O’Briens höhenverstellter Stimme auf den Tisch. Wer jetzt aber ein Album voller digitaler Kälte befürchtet, darf beruhigt sein: Die Akustikgitarre steht immer noch im Zentrum des Klangbilds. So radikal wie Justin Vernon auf der letzten Bon Iver-Platte 22, A Million war O’Brien nicht – und das ist auch gut so. Denn wie The Art … beweist, hat das Genre des Indie-Folk nur ein paar gute Ideen gebraucht, um auch im Jahr 2018 noch sehr frisch zu klingen.
Eine dieser stilistischen Ideen fällt dabei besonders ins Gewicht. Man hört dem Album nämlich an jeder Ecke den Einfluss von modernem R’n’B an. Einem Genre, das zur Zeit kaum relevanter sein könnte. Und auch wenn diese Kombination vielleicht erst einmal ungewohnt klingt, schafft es O’Brien, dass es so wirkt als wäre es das natürlichste auf der Welt. Der Song Love Came With All That It Brings zeigt das mit seiner Verwendung von Bläsern und Soul-Samples auf eindringliche Weise. Es birgt eine gewisse Ironie, dass Villagers mit den ersten beiden Alben für den Mercury Prize nominiert waren und beim ersten Mal gegen The xx und dann gegen James Blake verloren. Denn mit Mitteln, die man eher diesen Künstlern zuschreiben würde, hat Conor O’Brien sein bisher bestes Album machen können. Und wer weiß, vielleicht klappt es nächstes Jahr dann auch mit dem Mercury Prize.
„The Art Of Pretending To Swim” von Villagers ist am 21.09.2018 bei Domino Recording Company erschienen.