Kommentar
Videospiele können mehr als aggressive Kinder hervorbringen
Der deutsche Computerspielepreis wurde am 31.03.22 in München verliehen. Obwohl dieser sogar von der Bundesregierung mitveranstaltet wird, müssen sich Entwickler:innen immer noch für ihre Kunstform rechtfertigen. Vor allem aus dem Bereich der Kultur und von vielen Eltern kommen immer wieder sehr einseitige Einschätzungen. Viele Kritiker:innen denken, Videospiele tragen nur zur Volksverdummung bei, aber sie können mehr als nur aggressive Kinder hervorbringen – ein Kommentar von Marius Eckert.
Ein Urgestein der deutschen Youtube Historie ist das aggro PC Kind, welches seinen PC anschreit, weil es endlich zocken möchte. Ein Bild, welches sich leider in vielen Köpfen immer noch hartnäckig hält. Das wird Games heutzutage wirklich nicht mehr gerecht. Videospiele haben immer noch einen schlechten Ruf, sei es bei Eltern, in der Schule oder in der Öffentlichkeit. Das ganze Daddeln mache Kinder aggressiv, faul und dumm. Dabei können Videospiele viel mehr als nur Zeit zu vertreiben.
Videospiele tragen NICHT zur Verdummung bei
Dumm machen Videospiele sicher nicht. Die meisten Games erfordern zum einen Lesekenntnisse und ein hohes Verständnis von Sprache. Auch in der schulischen Bildung werden immer stärker digitale Medien genutzt, darunter auch Videospiele, welche Lerninhalte vermitteln können. Viele Spiele laufen auch auf Englisch, was das Lernen der Sprache fördern kann. Zum Beispiel bekommt Stephan Vogler, Gründer und Geschäftsführer von Entwicklerstudio CipSoft immer wieder Zuschriften von Eltern, dass ihre Kinder bessere Noten in Englisch haben, seitdem sie seine Spiele spielen.
Dass Videospiele Kinder gewalttätig machen, ist ein uraltes und falsches Vorurteil. Tatsächlich haben die Forscherinnen Sarah Coyne und Laura Stockdale in einer zehnjährigen Langzeitstudie keinen Zusammenhang zwischen gewalttätigen Spielen und erhöhter Aggressivität entdeckt. Des Weiteren konnten sie generell keine signifikanten Unterschiede im sozialen Verhalten der Jugendlichen beobachten.
Zocken ist nicht gleich faul sein
Auch das immer noch gesellschaftlich vorherrschende Stigma: „Videospiele machen faul und fett“, entpuppt sich beim differenzierten Betrachten als Vorurteil. Ja, viele Videospiele werden im Sitzen gespielt. Aber was unter den Tisch fällt, sind zum Beispiel die koordinativen Leistungen, die Videospiele erfordern. Vor allem die Augen-Hand-Koordination wird durch das Gaming gefördert, was eine Studie der Universität Toronto zeigt. Und spätestens seit dem Hype um Pokémon Go wissen wir, dass Videospiele motivieren können, Tausende Menschen nach draußen zu locken.
Im kulturWelt-Gespräch des Bayrischen Rundfunk fiel der Satz: „Der Computerspielepreis, was hat der in einer Kultursendung zu suchen?“
Auch Videospiele sind ein Kulturgut
Die Antwort kann nur lauten: Sehr viel! In Videospielen steckt mindestens genauso viel Kreativität wie in Büchern, Theaterstücken und Filmen. Vielseitige Geschichten, spannend inszeniert und immer mit dem Fokus den Spielenden ins Zentrum der Geschichte zu holen. Nicht alles ist nur bumm bumm, auch Shooter-Spiele haben oftmals eine vielschichtige Handlung, welche sie erzählen, tiefgründige Charaktere, welche Gründe für ihre Handlungen haben und sehr oft auch gesellschaftliche Kritik, welche das Spiel teilweise subtil, teilweise offen anspricht. Dabei gibt es wie in jeder Branche Hochs und Tiefs.
Die Arbeit hinter so einem Videospiel ist enorm, nicht nur die Geschichte muss geschrieben, die Charaktere designt, sondern des gesamte Spielgeschehen programmiert werden. Dafür sollte Videospielen längst mehr Anerkennung aus der Kulturbranche zukommen, denn Videospiele sind Kunst. Eine Kunst, in die der Betrachter noch mehr hineingezogen werden kann als in Bilder und Texte. Es entsteht eine Umwelt, die er oder sie sogar selbst beeinflussen kann und sieht, was die eigenen Handlungen für Auswirkungen haben.
Videospiele können Charaktere formen und Moral vermitteln. Und sie können uns unterhalten. Wie in vielen anderen Bereichen machen dabei die Dosis und der Umgang das Gift. Und daher müssen wir uns weniger Gedanken machen, wie schlecht Videospiele sind, sondern wie wir richtig damit umgehen und sie richtig einsetzen können. So wird Daddeln hoffentlich bald mehr sein als nur eine Beschäftigung für Kellerkinder. Das sollte dann auch irgendwann die Kultur- und Medienwirtschaft erkannt haben.