Kommentar
Vertragspoker im Profifußball: Lang leben die Piranhas
Der Vertragspoker zwischen David Alaba und dem FC Bayern zieht sich bereits über Monate. Nun hat der FC Bayern sein Angebot zurückgezogen und sieht sich auf der moralisch sicheren Seite.
Wann hören wir endlich auf, an Fußballprofis höhere moralische Ansprüche zu stellen als an andere Arbeitnehmer*innen? Ein Kommentar von Sebastian Bergsteiner.
David Alaba möchte mehr Geld. Von 20 Millionen Euro Gehaltsforderung ist die Rede. Die Bayern finden das übertrieben und haben das bisherige Angebot zurückgezogen – die Medien feiern die neue Härte und schwingen die Moralkeule: Der Kicker meint, bei Alabas Forderungen bleibe nur noch Kopfschütteln übrig, Sport-Bild-Chefredakteur Alfred Draxler findet, Alaba verhalte sich nicht anständig und Uli Hoeneß bezeichnet dessen Berater als geldgierigen Piranha.
In jeder anderen Branche würde die Nachricht wohl ganz sachlich lauten: Angestellter A und Unternehmen B haben verschieden Gehaltsvorstellungen und wollen ihre Zusammenarbeit beenden. Doch im Fußball scheinen andere Regeln zu gelten.
Alaba und der FCB sind nicht verheiratet
In Deutschland sind Medien und Fans der Ansicht, Fußballprofis gingen mit der Vertragsunterschrift eine Ehe ein: Der Spieler hat seinen Verein zu lieben und zu ehren, bis dass der Tod sie scheidet. Reicht ein Spieler die Scheidung ein, wird er als geldgieriger Egoist dargestellt. Loyalität erwarten die Zuschauer*innen nur von Spielerseite.
Die Fans machen dabei einen Denkfehler: Sie selbst unterstützen ihre Clubs bedingungslos und erwarten dies auch von den Profis. Doch sie gehen einer Leidenschaft nach – Spieler sind in einer Geschäftsbeziehung. Fußballer investieren ihr ganzes Leben in den Sport, nehmen dafür viel in Kauf und sind meist nur wenige Jahre in der Blütezeit ihrer Karriere, in denen sie das Maximum aus ihrem Körper rauspressen sollen.
Ja, Alaba wurde von den Bayern gefördert und hat dem Rekordmeister viel zu verdanken. Doch auch die Bayern verfügen über einen Weltklassefußballer, der in elf Jahren 255 Spiele für den Rekordmeister bestritt. Nicht nur die Spieler profitieren von den Vereinen, viel mehr befinden sich Club und Spieler in einer symbiotischen Beziehung – sie brauchen sich gegenseitig.
Die Nachfrage schafft das Angebot
Es ist klar, dass Fußballprofis nicht am Hungertuch nagen, ganz im Gegenteil: Ihr Gehalt ist hoch, vielleicht auch in seiner Höhe nicht mehr zu rechtfertigen. Dennoch sind die Topverdiener Arbeitnehmer, die sich, wenn sie ihrer Einschätzung nach zu wenig verdienen, legitimerweise einen neuen Arbeitgeber suchen können und sollen. Kaum jemand würde wohl ein Jobangebot mit einem 20-prozentigen Gehaltsaufschlag ablehnen.
Fußballer verdienen viel, doch ihr Gehalt orientiert sich an der Nachfrage. Darüber bestimmen die Konsumenten, die nicht aufhören werden, TV-Abos abzuschließen und Merchandise zu kaufen.
Es braucht kollektive Regeln
Möchten die Beteiligten wirklich etwas am kaputten Markt des Profifußballs ändern, müssen sie kollektive Regeln vorgeben und nicht mit Moralvorstellungen einzelne Akteure brandmarken. Fans und Medien sollten endlich aufhören, den Clubs die elende Mär der armen Vereine und der geldgeilen Profis abzukaufen.
Denn selbst die Clubs scheinen ihrer eigenen Erzählung nicht zu glauben. Karl-Heinz Rummenigge hat nun die Tür zu einer Vertragsverlängerung, die Präsident Herbert Hainer zuvor geschlossen hatte, wieder einen Spalt aufgemacht. Lang leben die geldgierigen Piranhas.