Der Selbsttest
Natürliche Verhütung per App?
Es ist schon lange bekannt, dass diese kleinen Botenstoffe in unserem Körper zu einem großen Teil an der Regie unseres Lebens beteiligt sind: Hormone steuern unseren Stoffwechsel, den weiblichen Zyklus und auch unsere Gefühle. Auch deshalb verzichten mehr Frauen, von Verhütungsmitteln wie der Pille sich ihren Hormonhaushalt künstlich beeinflussen zu lassen. Stattdessen gibt es nun den Trend, den Zyklus zu tracken, um die fruchtbaren und unfruchtbaren Tage ermitteln zu können.
Das Ganze beruht auf der Theorie, dass sich der Körper über den Zyklus verändert. Anhand von bestimmten zyklusbedingten Körperveränderungen sollen Frauen auswerten können, ob zu einem bestimmten Zeitpunkt überhaupt eine Befruchtung stattfinden kann. Dazu wird ausgewertet, wann sich eine Frau in der fruchtbaren und wann in der unfruchtbaren Phase ihres Zyklus ist. Denn de facto kann eine Frau nur an sechs Tagen ihres Zyklus schwanger werden.
Die Sicherheit der Methode
Um diese sechs fruchtbaren Tage besser ermitteln zu können, hat die Universität Düsseldorf eine Methode namens “Sensiplan” entwickelt. In Studien wurde die Verhütungssicherheit der Methode erfasst, der sogenannte Pearl-Index. Er besagt, wie viele Frauen unter Anwendung des Verhütungsmittels über ein Jahr hinweg unbeabsichtigt schwanger geworden sind. Bei dieser Methode liegt der Pearl-Index bei 0,4, also wurden im Schnitt vier von tausend Frauen schwanger. Damit liegt die Methodensicherheit von Sensiplan in einem ähnlich sicheren Bereich, wie die der Pille.
Doppelte Kontrolle
Um die Auswertung und Bestimmung der Körpermerkmale zu lernen, veröffentlicht die Arbeitsgruppe NFP (Natürliche Familienplanung) der Malteser u.a. Bücher. Auch bei Profamilia oder dem Erzbistum München gibt es NFP-Beratungsangebote. Wenn man beispielsweise durch die Erhöhung der Körpertemperatur sagen kann, dass eine unfruchtbare Phase folgt, wird mindestens noch auf die Auswertung des Zervixschleims gewartet. Erst wenn beide Symptome auf Unfruchtbarkeit hinweisen, wird den Regeln entsprechend von dem Beginn einer unfruchtbaren Phase ausgegangen.
Mittlerweile gibt es sogar NFP-Apps, die bei der Auswertung der Daten helfen sollen. Die füttert man dann mit Daten wie der Körpertemperatur nach dem Aufwachen (Basaltemperatur), der Veränderung des Ausflusses (Zervixschleim) und dem Start der Periode.
Ich teste NFP – Apps
Nach kurzer Suche lande ich bei der App Flo und muss unter anderem erstmal akzeptieren, dass ich von Marketingpartnern aufgrund meiner Zyklusdaten Produkt und Dienstleitungsangebote bekommen kann. Ob es mir das wert ist? In der App angekommen, soll ich Daten rund um meine Periode eingeben. Als Resultat heißt es kurzerhand: „Du hast heute eine geringe Chance schwanger zu werden“ und mir wird berechnet, wann meine Tage das nächste Mal zu erwarten sind. Wische ich ein paar Tage in die Vergangenheit, zeigt mir die App auch wann ich meinen Eisprung gehabt haben soll – und das alleine auf Basis meiner Periodendaten. Für mich steht jetzt fest: Nutzt man die App zur Verhütung kann man auch gleich mit der Kalendermethode Schwangerschaftsroulette spielen. Von einer doppelten Auswertung ist hier also keine Spur.
Also ändere ich meine Appsuche und lade nur die runter, die in der Beschreibung explizit eine Auswertung nach NFP erwähnen. So lande ich bei der App „OvuView”. Schnell fällt mir auf, dass ich die Zervixschleimdaten gar nicht Kategorien zuordnen kann, so wie ich es für NFP machen müsste. Ich werde eher dazu aufgefordert blumig zu beschreiben, was ich sehe und fühle. Auch die Regeln, nach denen meine Eingaben ausgewertet werden, kann ich nach belieben querbeet mixen. Allerdings schaffe ich es dabei nicht, die Auswertung so einzustellen, dass die App nach den NFP Regeln auswertet.
Handelt es sich also um eine Proversion von Schwangerschaftsroulette? Ich kann es schlecht beurteilen, aber zumindest wundert es mich so kaum, dass ich bereits nach alleiniger Eingabe der Temperaturkurve angezeigt bekomme, dass ich momentan unfruchtbar sei.
Die Sieger
Am Ende lande ich bei den Apps „LadyCycle“ und „Ovy“. LadyCycle erklärt mir beim Start wie die Methode denn überhaupt funktioniert und wie sie auswertet. Die Daten werden alle lokal auf meinem Handy gespeichert. Beim Öffnen der App zeigt mir die Farbe eines Schmetterlings, ob ich in der fruchtbaren, oder unfruchtbaren Phase meines Zyklus bin. Bei Ovy muss ich mir als erstes einen Account anlegen. Das hat aber den Vorteil, dass ich den Zyklus für meinen Partner freigeben kann und er dadurch auch an der Verhütung teilhaben kann. Im Generellen scheint die App jedoch kommerzieller als LadyCyle betrieben zu werden. So kann die App mit einem Ovy Thermometer gekoppelt werden, mit dem man zu einem Anschaffungspreis von 99,99 Euro jeden Morgen die Temperatur messen kann und das die vier Zahlen dann automatisch an die App weitergibt. Allerdings kann Ovy auch kostenlos genutzt werden.
Verhütung per App – eine Pillenalternative?
Im Endeffekt können die richtigen Apps sicherlich die Auswertung der Daten erleichtern. Sie ersparen einem aber nicht die Einarbeitung in das Thema. Denn egal wie genau die Auswertung ist – es bringt einem nichts, wenn die Daten wegen fehlenden Hintergrundwissen falsch eingegeben werden.
Für diejenigen, die sich mit ihrem Körper auseinandersetzen wollen, kann NFP eine relativ zuverlässige Möglichkeit zur Verhütung in der unfruchtbaren Zeit sein. Allerdings braucht es viel Eigenverantwortung sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und auch die Bereitschaft täglich ca. drei Minuten dafür zu investieren. An fruchtbaren Tagen muss zusätzlich natürlich mechanisch verhütet werden. Wenn dann aber doch irgendwann der Kinderwunsch kommt, weiß man natürlich automatisch, wann der fruchtbare Zeitraum ist. Zur Verhütung ist es aber definitiv mehr Arbeit als das Schlucken einer Pille.