M94.5 Filmkritik
Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit
Vincent van Gogh – den kennt jeder. Kaum eine Figur hat sich so in unser Allgemeinwissen eingebrannt wie der niederländische Ausnahmekünstler: dicke Pinselstriche, bunte Farben, nur ein einziges Bild zu Lebzeiten verkauft und am Ende hat er sich das Ohr abgeschnitten. Weiß ich, kenn ich… hab ich schon tausendmal gehört, gelesen und auf der Kinoleinwand gesehen! Trotz alledem hat es jetzt schon wieder ein Biopic mit dem Titel “Van Gogh” in die deutschen Kinos geschafft.
Viel Licht und viel Wahnsinn
Diesmal wird die Biografie von Vincent van Gogh nicht buchstäblich gemalt, wie im Oscar nominierten Loving Vincent (2017). Malerisch ist sie aber trotzdem:
Ein Mann sitzt in einer lichtdurchfluteten Wiese, langsam hebt er die Hand und lässt Erde über sein Gesicht rieseln. Die Kamera umkreist ihn zu melancholischer, dramatischer Musik. Die Farben leuchten gelblich in einem Meer aus französischen Sonnenstrahlen.
Ein 63-jähriger Willem Dafoe (Spiderman, Der Antichrist, Grand Budapest Hotel, … ) verkörpert hier den ca. 35-jährigen Maler Vincent van Gogh: an der Grenze zur Unendlichkeit und an der Grenze zum Wahnsinn. Langsam aber sicher begleiten wir den Künstler im Kampf mit seiner eigenen Psyche.
Van Goghs Leidenschaft fürs Malen steht hier im Vordergrund – oder vielleicht ist Besessenheit treffender. Exzentrisch und bei Zeiten unsympathisch erleben wir die impulsiven Emotionen, die den Geist und das Werk des Niederländers prägten. Der Oscar-nominierte Willem Dafoe schafft es dabei bemerkenswert gut, der Künstlerfigur gleichzeitig etwas Verletzliches und Unschuldiges einzuhauchen.
Ein Künstler malt einen Künstler
Der amerikanische Regisseur Julian Schnabel ist selbst erfolgreicher Maler, das ist unverkennbar. Vielleicht konzentriert er sich gerade deswegen so auf die Leidenschaft Van Goghs. Verwackelte, lichtdurchzogene Aufnahmen unterbricht Schnabel mit schwarzer oder gelber Leinwand zu künstlerischen Monologen und dramatischer Musik.
Er “malt” dieses Biopic Frame für Frame, um einen Blick auf die Welt zu erklären, der so oft nicht verstanden wurde.
“Ich möchte meine Vision mit Menschen teilen, die nicht das sehen, was ich sehe und wie ich es sehe.” (van Gogh im Film)
Porträtiert ein Künstler einen anderen Künstler, kommt man nie umhin, auch über die Metaphysik eines solchen Biopics nachzudenken: Die Unmöglichkeit, einen so außergewöhnlichen Maler auf die Leinwand (sei es Kino oder Malerei) zu bringen, findet sich auch in der aneinander gewebten, skizzenhaften Struktur des Films wieder.
Bilder, Zitate, Farben: Sie reihen sich aneinander wie die Skizzenbücher des Künstlers selbst. Hier und da kann das auch ein wenig anstrengend werden. Der Blick ist sehr künstlerisch und mit Van Goghs steigendem Wahnsinn verlieren auch wir als Zuschauer uns ein wenig in den unruhigen, gelbstichigen Aufnahmen. In biografischen Nacherzählungen behält der Film seine Schwächen, in emotionalen Überlegungen seine Stärke.
“Ich hab gedacht, ein Künstler müsse anderen beibringen, wie man die Welt zu sehen hat, aber das glaub ich nicht mehr. Jetzt denk ich nur noch über die Ewigkeit nach.” (van Gogh im Film)
Julian Schnabel weiß selbst: ein exaktes Portrait dieses – so oft porträtieren -Mannes gibt es nicht. Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit ist jedoch atmosphärisch, künstlerisch, lässt sich Zeit und kratzt am Ende zumindest an der oberen Farbschicht der vielerzählten Geniefigur.
“Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit” läuft ab dem 17. April 2019 im Kino.