Theaterkritik
Von Kriegen und Herzen: Eine Inszenierung voller Leben
Eine Produktion der Otto Falckenberg Schule, erstaunlich zeitlos und zugleich aktuell. Paula Schlagbauer inszeniert ein absurdes Spiel mit herrlich stumpfsinnigen Figuren, die in ihrer Realität trotzdem an existentielle Fragen stoßen.
“Bei allen Toden handelt es sich um Bühnentode. Im Theater stirbt man nämlich nicht”, steht als Disclaimer im Programmheft. Die kleine gestreifte Welt, die Paula Schlagbauer und Isi Heigl im Werkraum der Münchner Kammerspiele erschaffen, wird zum Leben erweckt.
Von Schattenspiel, Chorgesang und Verkleidungskiste plündern zu Klartext reden auf der Leiter: “Kann ein Banner, dass man sich über die Brüstung des Balkons hängt, wirklich für Solidarität stehen?”
WIR WOLLEN WURST ESSEN MIT EINEM HERZ, DOCH DAS HERZ LEHNT AB
In Totenüberlebung von Jona Spreter in der Regie von Paula Schlagbauer wird all das, was aktuell ist, was wichtig erscheint gemurmelt. Es geht um den Krieg, keine Frage, und es geht um die Liebe. Stawrogin und Ludovika, zwei ganz unterschiedliche Figuren sprechen über das Bleiben und das Gehen. Den Tod und den Nicht-Tod. Irgendwie überleben sie in einer ausgedachten Welt, die der unsrigen mehr ähnelt als die absurden Gestalten erst vermuten lassen.
“Ich möchte in den Krieg ziehen. So. Jetzt ist es ausgesprochen. Denn: Auch hier ist der Krieg. Ich sehe den Krieg an den Supermarktkassen.”
Totenüberlebung von Jona Spreter
Paula Aschmann, Johannes Schöneberger
Foto: Hanna König
DER KRIEG IN DER ALTSTADTGASSE
Das bekannte Thema – einer zieht in den Krieg, eine wartet – wird irgendwie ganz neu gedacht. Die Texte werden mehrheitlich ungewohnt betont und verändern so die Gewichtung zwischen Inhalt und Form. Der Held, wenn er einer ist, wird von fünf bärtigen Schauspieler:innen verkörpert, die auf unterschiedliche Arten die gleichen Charakterzüge spielen.
Der Rhythmus der Sprache wird durch einen Schlagzeuger auf der Bühne aufgenommen und weiterverarbeitet. Generell scheint es, als stehe die Geräuscherzeugung im Mittelpunkt der Inszenierung. So werden viele Teile von Jona Spreters Theatertext gesungen oder gemeinsam gesprochen.
EINE ERKLÄRUNG DES LEBENS
Dieser Theaterabend lässt nicht nur zu, dass über die fiktiven Personen und die abstrusen Handlungen gelacht wird, auch über das Theater und das Spielen, dass im Werkraum so nah am Publikum möglich ist, muss man schmunzeln. Das Stück gibt uns nichts und alles zugleich, bleibt ein wirrer Mix aus Eindrücken und macht hungrig und satt zugleich. Wie nachts die letzte U-Bahn erwischen und mit irrsinnigen Gestalten zu einem ungewissen Ziel fahren. Ganz wie das Leben in pinken Radlerhosen.
Zum aktuellen Spielplan der Münchner Kammerspiele gelangt ihr hier. Dort sind die Produktionen der Otto Falckenberg Schule gekennzeichnet. Wo es sonst überall Studi-Ermäßigungen bei Theatern gibt, könnt ihr hier nachlesen.