Geldverdienen mit Nachhaltigkeit
Too Good To Be True?
Dieses Jahr hat das dänische Startup Too Good To Go den Deutschen Nachhaltigkeitspreis gewonnen. Seit 2017 setzt sich das Unternehmen gegen Lebensmittelverschwendung und Überproduktion ein. Mit der gleichnamigen App können verschiedene Gastronomiebetriebe wie Restaurants, Bäckereien, aber auch Kantinen und Hotels übrig gebliebenes Essen für einen günstigeren Preis an Selbstabholer:innen abgeben. Aber wie nachhaltig ist die App wirklich?
Verdacht auf Greenwashing
Immer mehr große Ketten wie Nordsee, Starbucks und Co., die nicht gerade für ihre Nachhaltigkeit bekannt sind, bieten täglich die gleiche Anzahl an Portionen in der App an. Das sind vor allem viele Portionen. Es liegt deshalb nahe, zu vermuten, dass es sich dabei in einigen Fällen erstmal um Gewinnsteigerung als um Nachhaltigkeit geht und unter Umständen um Greenwashing handelt – dass sich Betriebe den Stempel “nachhaltig” geben, ohne entsprechende Richtlinien zu erfüllen.
Denn in der Policy von Too Good To Go gibt es keinerlei Einschränkungen für teilnehmende Betriebe. Egal also, wie groß, umweltbelastend oder nachhaltig eine Gastro ist, alle dürfen in der App Essen anbieten. Bei kleineren Läden hingegen variiert die Anzahl, manchmal gibt es auch gar nichts zu retten, weil alles Essen am Tag verkauft wurde. Ist Too Good To Go also eine App, die eigentlich Lebensmittelüberproduktion reduzieren möchte, aber gleichzeitig dazu anregt? Wie viele der Portionen sind wirklich gerettet und wie viele davon werden extra für den Vertrieb in der App produziert?
Nachhaltiges Unternehmen mit Teamspirit?
Auf unsere Interviewanfrage hat Too Good To Go leider nicht reagiert. Stattdessen haben wir uns bemüht, mit einem der großen Betriebe zu sprechen, die seit Kurzem mit einem umfangreichen Angebot die App nutzen. Wir konnten uns mit Thomas Peisl, dem Operating Manager von Gorillas in München, unterhalten.
Gorillas ist ein virtueller Supermarkt, der das Versprechen mit verkauft, jede Bestellung innerhalb von zehn Minuten an die Haustür zu liefern. Seit ein paar Wochen kann man auf Too Good To Go sogenannte Magic Bags von Gorillas “retten”. Diese stehen allerdings in der Kritik, zu viel in Plastik verpackte Lebensmittel zu enthalten. Auf die Frage, ob Gorillas ein nachhaltiges Unternehmen sei, antwortet Thomas Peisl nur: “Wir sind ein nachhaltiges Unternehmen, weil bei uns alle diesen Teamspirit teilen und darauf getrimmt sind”.
Einerseits basiert das Geschäftskonzept von Gorillas darauf, wenig ressourcenschonend jedes Bedürfnis innerhalb kürzester Zeit zu erfüllen und dafür einen Kurier durch die Stadt zu schicken. Andererseits möchte das Unternehmen nachhaltiger werden. Statt Plastikflaschen bekommen die Kuriere seit kurzem Edelstahlflaschen, die sie an eigenen Stationen mit Mineralwasser wieder befüllen können. Ob aber die Magic Bags tatsächlich gerettetes Essen enthalten, konnte Thomas Peisl nicht beantworten. Stattdessen nennt er Zahlen: über 9.000 mit Too Good To Go verkaufte Tüten seit dem Start der Zusammenarbeit im Juni 2021.
Geld verdienen mit Lebensmittelrettung
Wieso aber bemüht sich Too Good To Go nicht darum, ihre Richtlinien dahingehend anzupassen, um Greenwashing zu vermeiden und es den Kund:innen zu ermöglichen, wirklich Essen zu retten, was ansonsten hätte weggeschmissen werden müssen?
Dafür muss man verstehen, wie die App funktioniert: Pro Portion, die über die App vermittelt wird, erhält Too Good To Go eine Provision. Für kleine Betriebe rentiert sich die Nutzung der App daher kaum, weil bei den geringen Preisen prozentual nur noch ein Bruchteil für die Verkäufer:innen übrig bleibt. Große Betriebe, die konstant gleich viele Portionen anbieten, kurbeln hingegen nicht nur die Umsätze von Too Good To Go an, sondern sichern sich dadurch einen völlig neuen Kund:innenstamm, der natürlicherweise nicht dort kaufen würde. Too Good To Go liefert diesen Betrieben also einen zusätzlichen Markt, im Gegenzug dazu ist das lukrative Geschäft gesichert. Dass da das Interesse eher der Umsatzstärke als der Nachhaltigkeit einer Gastronomie gilt, liegt nahe.
Dennoch landet jährlich gut ein Drittel aller produzierten Lebensmittel im Müll, in Summe 18 Millionen Tonnen. Dass das auch auf unser Klima keine positiven Auswirkungen hat, muss nicht extra betont werden. Wenn also Nutzer:innen der App sicher gehen wollen, dass sie wirklich gerettetes Essen kaufen, sollten sie darauf achten, möglichst kleine Inhaber:innen geführte Läden zu unterstützen.