Filmfest 2021
They say nothing stays the same
Ein Film so gemächlich, wie der Verlauf eines ruhigen Flusses. Joe Odagiri erzählt in großen poetischen Bildern die Geschichte eines entschleunigten, naturverbundenen Lebens, das vom Einbruch der modernen Welt in Frage gestellt wird.
Muss das Alte weichen, wenn etwas Neues kommt? Oder kann es neben dem Neuen fortbestehen? Diese Frage zieht sich durch They say nothing stays the same und schon der Titel deutet an, dass das mit dem Fortbestehen zumindest schwierig werden könnte. Der Film begleitet den japanischen Fährmann Toichi (Emoto Akira), der ein einfaches Leben in einer kleinen Holzhütte direkt an einem Fluss führt. Mit seinem Boot bringt er Bewohner:innen aus dem nahegelegenen Dorf, aber auch Menschen aus der Stadt von einem Ufer zum anderen. Er tut das mit Ruhe und Gemächlichkeit, jeden Tag das Gleiche. Das Holz knarrt leise und das Wasser plätschert, wenn Toichi das Ruder eintaucht. Es ist eine friedliche Idylle, mit waldigen Bergen im Hintergrund und Nebelschwaden, die am Morgen über den Fluss ziehen.
Eine Brücke zur modernen Welt
Toichis Leben verändert sich nicht nur, als er ein verletztes Mädchen aus dem Fluss zieht, sondern auch, als metallene Hammerschläge anfangen, durch den Wald zu schallen. In der Nähe wird eine Brücke gebaut, die das Dorf mit der Stadt verbinden soll. Die meisten begrüßen das, ist es doch viel bequemer eine Brücke zu benutzen, als ein kleines Holzboot. Doch für den Fährmann wird damit seine Existenz bedroht. Regisseur Joe Odagiri lässt sich viel Zeit, um diesen Einbruch der modernen Welt zu erzählen. Der Film zeigt über große Strecken vor allem Toichi, seine Fahrgäste und den Fluss. Dialoge gibt es dann, wenn der Fährmann mit seinen Kunden plaudert. Oft begleitet ihn die Kamera aber auch nur still beobachtend: wie er sich Fische über dem Feuer brät, wie er seine Kleidung im Fluss wäscht oder einfach nur in seinem Boot sitzt. Diese langsame, ruhige Erzählweise mag manchen nicht schnell genug gehen, für andere hat sie eine fast meditative Wirkung, die einen für die Dauer von guten zwei Stunden zum Entschleunigen bringt.
Bilder wie Poesie
Zu der großen Ruhe, die der Film ausstrahlt, tragen auch zu erheblichem Teil die Bilder bei, die Christopher Doyle von der japanischen Natur einfängt. Was der Kameramann da, ja, zaubert möchte man sagen, das ist ganz großes Kino; und das obwohl der Film das Gegenteil eines Blockbusters ist. Die bildgewaltigen Landschaftsaufnahmen des immer gleichen Ortes am Fluss sind wunderbar komponiert und von so stiller, natürlichen Schönheit, dass es an Poesie grenzt. Das Setting der Geschichte ist zu Beginn des 20. Jahrhunderts angesiedelt, doch die Fragestellungen, die sie aufwirft, sind zeitlos. Was passiert in einer Gesellschaft mit Menschen, deren Tätigkeit durch Fortschritt obsolet wird? Und verlieren wir in unserem modernen schnellen Leben den Kontakt zur Natur? Joe Odagiri lädt ein, innezuhalten und mit Toichi über den Fluss zu fahren. Ganz gemächlich.
They say nothing stays the same läuft noch am 10. Juli auf dem Filmfest München. Ein Starttermin für Deutschland ist bisher unbekannt.