Leoniden im Interview
They did it again
Ein Konzert von Leoniden ist sportlicher als jedes Workout. Nach ihren Shows sind neben einem Muskelkater mindestens drei Ohrwürmer für die nächsten drei Tage garantiert. Sänger Jakob Amr im M94.5-Interview über seine Liebe zu Pop und darüber, wie wichtig es ist, sich heutzutage politisch zu äußern.
Die Energie der Jungs aus Kiel ist unfassbar ansteckend und bei ihren Shows gibt’s einfach keinen, der nur in der Ecke rumsteht und vielleicht hin und wieder mit dem Kopf nickt. Seit mittlerweile drei Jahren ist die Band nicht mehr aus der deutschen Indieszene wegzudenken. 2017 erschien das selbstbetitelte Debüt Leoniden. Zu hören gab es darauf Indierock mit manchmal zwar schon poppigen aber überwiegend punkigen Einflüssen. Denn: die Bandmitglieder haben teilweise eine Vergangenheit im Hardcore oder Punk. Aber trotzdem bietet das Album tanzbare Songs mit Mitgröhlfaktor. Was will man mehr?
Oops, they did it again!
Ende letzten Jahres dann endlich der Nachfolger Again. Mit tanzbaren Songs mit Mitgröhlfaktor – again! Der Unterschied diesmal: Mit Pop sind sie mutiger geworden. „Auf dem Debüt waren wir noch sehr zögerlich, was Pop angeht“ meint Sänger Jakob Amr im M94.5 Interview. „Das Debüt war DYI, das war unser erstes Lebenszeichen. Auf Again haben wir aber auch in andere Bereiche experimentiert. Auf dem neuen Album gibt’s sogar einen Song mit Elektropart [One Hundred Twenty-Three]“. Trotzdem findet Jakob, dass auch das poppigere Zweitwerk aus dem gleichen Guss stammt.
Moderne Offenohrigkeit ohne Popdistanz
Das Vorurteil gegenüber Pop, dass alles ein und derselbe Brei ist und man sich für sine Individualität möglichst fern davon halten sollte, findet der ehemalige Hamburger unbegründet. „Von Pop muss man sich nicht mehr distanzieren, um sich besonders zu machen. […] Was heute modern ist, ist diese Offenohrigkeit. Jeder ist sein eigener Musikspezialist geworden. Ich hör auch Hip Hop oder verschwurbelten Math-Rock. Aber ich liebe auch „Angels“ von Robbie Williams. Pop ist nichts Schlimmes mehr, das ist eher noch neo-historisch konnotiert. Ich glaube heute findet niemand mehr Pop scheiße.“
Hamster auf Reisen
Neben den Experimenten mit Synthies, elektronischen Parts und Pop, lassen sich Leoniden auch für ihre Musikvideos immer was Neues einfallen. Zu ihrer Single „Why“ haben sie mithilfe von Künstler Andreas Rusch ein Musikvideo in einer Comicversion ihrer selbst herausgebracht. Liebevolle Details – an der Wand von Comic-Jakob hängen beide Platten und ein Poster mit einem Zitat aus dem Song „1990“ – treffen auf witzige Einfälle. Neben den fünf perfekt getroffenen Bandmitgliedern tritt nämlich im Video noch ein anderer Hauptdarsteller auf: Fred der Hamster. Und der wird aus seinem Käfig befreit, um seine Freiheit auszuleben, fernab von Hamsterrädern und Käfigen.
The kids will unite
Klar sind die Konzerte von Leoniden schweißtreibend und vorrangig spaßig. Aber trotzdem ist den Jungs auch politisches Engagement wichtig. Bei ihren Konzerten sammeln sie Spenden für Plus1, eine Initiative, die sich für Flüchtlingsräte und andere Hilfsorganistationen einsetzt. Dafür haben sie sogar extra einen Merchandise Artikel designt. Einen Schal mit dem Schriftzug „Plus1“ und „Kids will Unite“ – dem Namen der Tour. Und selbst der klingt nach einem politischen Statement. „In der jetzigen Lage ist [es] absolut logisch, [sich politisch zu äußern]“, findet Jakob. „Wenn man Angst hat zu riskieren, dass sich Leute nicht mehr für einen interessieren, wenn sie die politische Meinung kennen, das ist super inkonsequent.“ Politische Musik mit Parolen ist für die Jungs allerdings weniger zentral. Da finden sie, gibt es schon gute Bands, wie beispielsweise Feine Sahne Fischfilet. Ein politischer Subtext ist trotzdem in den Songs immer dabei, das kann aber dann jeder Hörer für sich selbst interpretieren.
Energie und Motivation pur
Für die Zukunft haben die Kieler Jungs Einiges vor. Von Auslandskonzerten in Dänemark, Tschechien oder eventuell den USA bis hin zu neuer Musik, an Ideen und Motivation mangelt es ihnen nicht. Das merkt man auch, wenn man sich anschaut, wie viele Konzerte sie in den letzten zwei Jahren gespielt haben. Jedes Jahr um die 40 Festivals haben sie abgeklappert. Da ist ihre Heimat Kiel der ideale Ort zum Runterkommen und eine perfekte Ergänzung zum Leben als Musiker. Nach Berlin oder in eine andere Großstadt zu ziehen kommt deshalb momentan überhaupt nicht in Frage. „Auf jeden Fall bleiben wir in Kiel“, sagt Jakob überzeugt. Bodenständige Jungs mit großen Plänen und Liebe zu dem was sie machen. „Ich kann jeden Abend die Songs mit Leuten teilen, die sie feiern. Was will ich denn noch?“