M94.5 Theaterkritik
These Teens Will Save The Future
– Für die Zukunft, für das Leben, alles für die Zukunft geben –
Regisseurin Verena Regensburger holt die Umweltbewegung auf die Theaterbühne.
Über eine hoffnungsvolle Suche nach Zivilcourage.
Die Zuschauer*innen, die ins Haus der Kunst kommen, um die Inszenierung von “These Teens Will Save The Future” zu sehen, dürfen sich am Ende des Stücks ein Blatt Papier mit nach Hause nehmen. Darauf stehen Auszüge aus Greta Thunbergs Rede bei der UN Klimakonferenz in Kattowitz:
2078 werde ich meinen 75. Geburtstag feiern.
Wenn ich Kinder habe, werden sie vielleicht den Tag mit mir verbringen.
Vielleicht werden sie mich nach Ihnen fragen.
Vielleicht werden sie fragen, warum Sie nichts unternommen haben, obwohl noch Zeit dazu war.
Sie sagen, dass Sie Ihre Kinder mehr als alles andere lieben, aber gleichzeitig stehlen Sie ihnen ihre Zukunft vor den Augen weg.
Bis zu dem Zeitpunkt, an dem Sie beginnen, sich auf das zu konzentrieren, was getan werden muss und nicht was politisch möglich ist, wird es keine Hoffnung geben.
Doch nicht nur in gedruckter Form sind Greta Thunbergs Worte im Stück präsent. Die Inszenierung beginnt in einem Ausstellungsraum des 1. Stocks im Haus der Kunst. Durch Lautsprecher werden Auszüge von Gretas Reden übertragen, die durch den großen Raum hallen. Zusätzlich ist eine Animation von ihrem Gesicht an der Wand zu sehen, das sich immer wieder verändert. So erscheinen stetig neue junge Menschen auf der Wand. Sie alle bewegen ihre Lippen zu Gretas berühmten Worten. Mehr als ein Jahr ist es her seit Greta Thunberg das erste Mal am Freitag die Schule bestreikt hat. Beim Klimastreik am 20. September 2019 waren hunderttausende Menschen auf allen Kontinenten beteiligt. Die Botschaft ist klar: Greta hat die weltweite Bewegung “Fridays for Future” zwar angestoßen und ist damit für viele Menschen zu einem Vorbild geworden. Doch wenn sie alleine auf der Straße stünde wäre es keine Bewegung. Jede*r Einzelne ist wichtig damit ihre Botschaft Gehör findet. Und genau das ist auch die Botschaft des Stücks.
Eine*r für alle, alle für Eine*n
Die eigentliche Inszenierung beginnt erst im nächsten Raum. In der Mitte steht ein Podium und darauf befindet sich ein Karussell in den typischen Neonfarben der Kammerspiele. Auf beiden Seiten des Raums sind Bänke für die Zuschauer*innen aufgebaut. Knapp 30 politisch engagierte Jugendliche stehen auf dem Podium und schmettern dem Publikum Protestrufe entgegen, die sonst nur auf den Freitags-Demos zu hören sind:
- What do we want? Climate Justice! When do we want it? Now!
- Respect our Existence or Expect our Resistance!
- Es gibt – kein Recht – einen SUV zu fahren!
Da stehen sie nun nicht mehr mit Plakaten auf der Straße sondern auf der großen Bühne. Die Motivation ist die Gleiche: an das Gewissen der Menschen appellieren, die ihnen nur zusehen. Nachwuchs-Regisseurin Verena Regensburger ist selbst zu den Demos gegangen, um junge Menschen für ihr Stück zu gewinnen:
“Ich hab die angequatscht und nach ihren Ideen und dem gefragt, was sie wütend macht und was sie aufregt und wo sie sich Veränderungen wünschen und warum sie eben auf die Straße gehen und gefragt ob sie Lust haben, das bei so einem Projekt noch weiter auszuarbeiten.”
– Verena Regensburger im Gespräch mit M94.5
Überfällige Utopien
Es wirkt als hätten sich die Jugendlichen allem Übel der Welt, allem Schlechten angenommen, mit der Intention, es ins Gute zu kehren. Egal ob Sexismus, Homophobie oder Rassismus. All das soll in der utopischen Welt, die von den Jugendlichen im Stück gemalt wird, schon bald der Vergangenheit angehören. Manche Leute fühlen sich sichtlich unwohl bei den sehr direkten und provokanten Fragen, mit denen sie von den jungen Schauspieler*innen konfrontiert werden.
- Wie oft wurdest du von der Polizei kontrolliert?
- Wurden Sie schonmal im Freibad oder an der Isar von der Nippelpolizei dazu aufgefordert ihr T-Shirt wieder anzuziehen?
- Kannst du widerstehen wenn der Flug nach Berlin billiger ist als der Zug?
- Kannst du Second Hand Kleidung tragen so wie ich und wurdest du dabei schonmal als arm oder assi bezeichnet?
Im Stück erheben die Protagonist*innen auf der Bühne ihre Stimmen, selbst wenn sie von manchen Problemen nicht betroffen sind. Jede*r wird aufgefordert zu überlegen: war ich schon mal in so einer Situation und wie habe ich mich dabei gefühlt? Könnte ich mehr für die Umwelt und die Menschen um mich herum tun? Befinde ich mich vielleicht in einer Lethargie, durch die ich das Elend in der Welt verdränge? Wenn ja, so der Appell, sollte ich schleunigst damit aufhören.
Ganz Oder Gar Nicht
Es wird deutlich, dass die Jugendlichen keine Moralapostel sein wollen. Der erhobene Zeigefinger ist vielmehr ein Hilferuf. Allein werden sie es nicht schaffen, gefragt sind die Machthabenden, die jetzt die Möglichkeit haben gesellschaftliche Reformen umzusetzen. Die Botschaft ist ganz klar, ich bin gemeint, du bist gemeint, wir alle sind gemeint. Ein*e jede*r hat Fehler und alleine können Ziele nicht erreicht werden, egal wie groß oder klein sie sein mögen. Es ist an der Zeit zu handeln und sich gegenseitig zu stützen – nicht herunter zu ziehen.
“Wir dürfen uns nicht gegenseitig ausspielen lassen, ich muss mich nicht zwischen Gleichberechtigung oder Naturschutz entscheiden. Im Gegenteil! Wir müssen verstehen wie diese Dinge miteinander verknüpft sind und dass es nur logisch und konsequent ist, dass ich mich gleichzeitig für soziale Gerechtigkeit, Feminismus und einen besseren Naturschutz einsetzen kann.”
– Zitat aus dem Stück
“These Teens Will Save The Future” zeigt, dass die Jugendlichen die Zukunft ändern wollen, aber ohne Hilfe nicht werden ändern können. Ewig kann ihre Hoffnung nicht anhalten. Das Karussell ist eine Metapher für die Kindheit, die viel zu schnell vorbeigeht. Die jungen Menschen müssen über ihr Alter heraus Verantwortung zeigen, da die Erwachsenen sich nicht erwachsen verhalten. Das Stück kann auf manche sicherlich wie das Instrument einer extremen politischen Agenda wirken. Doch die Inspiration ist Greta Thunberg und die ist bekannt für ihre Kompromisslosigkeit. Sie sagt Sätze wie “Our house is on fire” oder “I want you to panic” und ist dabei vollkommen radikal. Sie macht keine halben Sachen und deswegen ist die Zukunft, die sich die Jugendlichen erträumen, auch nicht nur in einem Bereich besser als die Gegenwart. Alles, was ihnen wichtig ist, wird angesprochen. Es ist ein Versprechen, das für manche unmöglich klingen mag. Doch realisierbar werden Hoffnungen immer erst durch Taten.
These Teens Will Save The Future feierte am 27. September im Haus der Kunst Premiere und ist noch bis zum 17. Oktober zu sehen.