M94.5 Filmkritik

The House that Jack built

/ / Bild: Concorde Filmverleih

Seine vor fünf Jahren abgeschlossene, sogenannte Depression Trilogy, bestehend aus Antichrist, Melancholia und Nymphomaniac, zementierte Lars von Triers Ruf als einen der unangenehmsten und kompromisslosesten Regisseure. Und was soll danach kommen? In The House that Jack built geht es um Mord, die Nazis und Kunst. 

Mit Worten wie „schön“, „spannend“ oder „bewegend“ oder anderen Worten, mit denen oft Filmkritik gemacht wird, kommt man bei den Filmen von Lars von Trier nicht sehr weit. In von Triers Arbeit fällt das Anstößige und Kunst zusammen. Sein neuester Film mit dem Titel The House that Jack built  handelt von einem Serienmörder, der Frauen den Busen abschneidet und Familien wie Wild jagt, indem er auf sie aus einem Hochsitz heraus schießt. Aber gleichzeitig ist The House that Jack built auch ein Künstlerroman geworden, ein Porträt des Künstlers als junger Mörder.

Ist das Mord oder kann das weg?

Jack, gespielt von Matt Dillon, ist ein scheinbar üblicher Serienmörder, wie man ihn in den Serien Criminal Minds oder auch Hannibal sehen kann. Er erzählt seinem Führer Vergil exemplarisch von fünf seiner Morde. Während der erste noch im Affekt geschieht, entwickelt Jack daraus im Laufe der Zeit eine kleine Wissenschaft des kunstvollen Tötens, oder vielleicht eher: das Töten als Kunstform neben Musik, Architektur und bildender Kunst. Er drapiert die Leichen, fotografiert sie in kunstvollen Posen und verstaut sie danach in seiner Gefrierkammer.

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Brutalität und Anspruch im Trailer von The House That Jack Built.

Während nun Jack von seinen grausamen Morden erzählt, erklärt er sich mit seinem Drang, Kunst zu machen und alles für die Kunst zu machen, oder wie er es selbst sagt: nicht nur Ingenieur, sondern Architekt zu werden. Er beruft sich auf William Blake, Johann Wolfgang von Goethe oder den Pianisten Glenn Gould, der verschrien ist dafür, dass er Beethoven und vor allem den heiligen Bach zu wild, zu laut, zu schnell, zu brutal und gewalttätig spielt.

Jenseits von Gut und Böse

Aber all das wird in Beziehung gesetzt mit Nationalsozialismus, Hitler, Mao, Kampfjägern oder auch dem Nazi-Architekten Albert Speer. Das Ganze wird auf die Spitze getrieben, wenn Filmaufnahmen aus dem Holocaust direkt vor Szenen aus älteren Lars von Trier Filmen geschnitten werden, und man kommt nicht darum herum, an Lars von Triers nun berühmt berüchtigte Pressekonferenz zu denken, in der er sagte, dass er Hitler verstünde, und die zur Folge hatte, dass von Trier von Cannes verbannt wurde.

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“I understand Hitler.”

Inzwischen hat Lars von Trier bereits Stellung dazu bezogen, aber befremdlich ist die Szene trotzdem immer noch. The House that Jack built ist auch der Film, mit dem Lars von Trier nach diesen Kommentaren wieder nach Cannes zurückkehrt (wenn auch außer Konkurrenz). Daher um so mehr scheint der Film eine Art Rechtfertigung zu sein, die aber weder zu demütig-defensiv, noch zu ungehalten-aggressiv daherkommt. Die fast schon stereotype Figur Jack als Frauenmörder wird von von Trier benutzt, um sie als Künstler auszustaffieren, der die Radikalität des Regisseurs Lars von Trier vermitteln kann.

Rückkehr nach Cannes

Von Trier hat wieder einen Film gedreht, der einen sprachlos zurücklässt. Die Referenzen sind so vielfältig, die Bilder entweder faszinierend oder unerträglich und der Einsatz von Musik auf den Punkt. An alle, die sich die Frage gestellt haben, was nach dem Meisterwerk Nymphomaniac noch folgen könnte: Lars von Trier hat einen Film geschaffen, der sich nicht nur fantastisch in sein bisheriges Schaffen einfügt, sondern ihm auch noch eine weitere Ebene verleiht. Wenn man diesen Film gesehen hat, wird man keinen Lars von Trier Film mehr sehen können, ohne an The House that Jack built zu denken.

“The House that Jack built” läuft ab ab dem 29. November 2018 in den deutschen Kinos.