M94.5 Filmkritik
The Gentlemen
Mit seinem neuen Film The Gentlemen findet Regisseur Guy Ritchie wieder zurück zu seinen Wurzeln. Nachdem er in den letzten Jahren vor allem für Filmadaptionen wie Sherlock Holmes, King Arthur und das Disney-Remake Aladdin (mal mehr, mal weniger erfolgreich) im Gespräch war, zeigt sein neuer Film endlich wieder den alten Ritchie.
Mit Filmen wie Bube, Dame, König, grAS und Snatch hat Guy Ritchie in den späten 1990ern und frühen 2000ern sein ganz spezielles, eigenes Genre etabliert: die britische Gangster-Komödie. Daran knüpft er mit The Gentlemen nun wieder nahtlos an. Verschrobene Kriminelle, messerscharfe Wortgefechte und das Ganze in einer frechen, aber immerzu eleganten Verpackung.
Eine Riege skurriler Figuren
In The Gentlemen thematisiert Guy Ritchie immer wieder den Generationenkonflikt: Die Jungen wollen den Alten zeigen, wie es geht, während die Alten die Jungen ob ihrer Hartnäckigkeit unterschätzen. Dabei punktet der Film vor allem mit einem Haufen relativ klassischer Figuren, die offenbar in keinem Gangster-Film fehlen dürfen, die Ritchie aber erstmal ordentlich gegen den Strich gebürstet hat, bevor er sie millimetergenau in sein Drehbuch eingefügt hat.
Da gibt es zum Beispiel Hauptfigur Micky Pearson (Matthew McConaughey), der ein milliardenschweres Marihuana-Imperium aufgebaut hat, sich es jetzt aber doch lieber in der britischen Oberschicht gemütlich machen will mit Tweedjacken und Scones. Seine rechte Hand Ray (Charlie Hunnam) strahlt so eine Sanftheit und Gelassenheit aus, dass man ihn eher für seinen Bibliothekar halten würde als denjenigen, der die Drecksarbeit macht. Am meisten brilliert jedoch Hugh Grant: Seine Figur ist so gar nicht der nach Gerechtigkeit strebende Enthüllungsjournalist, den man normalerweise im Gangster-Milieu antreffen würde, im Gegenteil. Mit getönter Brille und Bart stellt er die Reinkarnation des größten Ekels und damit Klischeebild eines Klatschjournalisten dar. Vom liebevollen Hugh Grant, wie man ihn vorwiegend aus romantischen Komödien kennt, bleibt da nicht mehr viel übrig; stattdessen macht Grant seinem ganz persönlichen Ärger Luft, denn der Schauspieler engagiert sich schon seit Jahren lautstark gegen die britische Boulevardpresse.
Let’s talk about sex
Werfen wir einen Blick auf die einzige Frau in dem Film: die Frau vom Gangsterboss, gespielt von Michelle Dockery. Nun kann es überpolitisch scheinen, einen bewusst männlich dominierten Gangsterfilm mit Emanzipationsbrille zu betrachten. Eigentlich hat Ritchie das aber ziemlich genial gelöst. Weibliches Accessoire? Von wegen, Dockery spielt die wohl emanzipierteste und taffeste Frau seit Alice Schwarzer. Es stockt einem förmlich der Atem, wenn sie in einem elegant geschnittenen Hosenanzug aus einem aufgemotzten BMW steigt und ihre Autowerkstatt betritt. Als erfolgreiche Unternehmerin hat sie wenig Lust, dass ihr bald pensionierter Ehemann bei ihr rumlungert.
Was dann aber überhaupt nicht in den Film passt, ist die halbe Vergewaltigung durch den „bösen“ Gangsterboss, der sich selbst in der Szene zu fragen scheint, was er da zur Hölle eigentlich macht. Ist es nicht an der Zeit, solche Szenen zu streichen, um ihnen einfach die Berechtigung zu nehmen? Oder ist es mittlerweile einfach zum Standardprotokoll geworden, dass Gangsterboss A nur seine Dominanz beweisen kann, wenn er die Frau von Gangsterboss B vergewaltigt?
Davon abgesehen fühlt sich The Gentlemen wie ein Guy-Ritchie-Original an: Auch wenn die Storyline nicht sehr originell erscheint, punktet der Film durch Liebe zum Detail und vor allem durch seine unverkennbaren Figuren.
“The Gentlemen” ist ab 27. Februar 2020 in den deutschen Kinos zu sehen.