ESSAY

Technoszene, Räumlichkeiten und Kommerz

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Warum muss ich ein Mann sein, um als Frau ernst genommen zu werden?

Die Technoszene wächst. Und während sie wächst, wird der Raum für sie immer kleiner. Durch den Mangel an unkommerziellen Safe Spaces entsteht eine profitorientierte Tür-Politik. Und durch wildes Einlassen wächst das Risiko auf übergriffiges Verhalten. Warum wir endlich wieder laut sein müssen – Ein Essay von Franziska Merk. 

Letzten Freitag sollte es eigentlich ganz Herz-lich zugehen. Herzlich laut. Denn das Raversclaw Kollektiv hat ein Valentines Special im Bahnwärter Thiel veranstaltet und dazu ein starkes Line-Up mit DJs wie beispielsweise PDA und Flucc geliefert. Alles andere als romantisch wurde es für mich allerdings, als ich mich dort keine halbe Stunde ungestört bewegen konnte. Immer wieder landeten Hände an meiner Hüfte und auf meinem Hintern. Auch ständiges Platz-Tauschen mit meinem Partner hat im Endeffekt nie lange etwas gebracht. Und dann doch mal eine Hand wegzuschlagen, wurde – wenn überhaupt – mit einem ekligen “Ja, Baby, zwick mich” gekontert. Respekt – Fehlanzeige. Und so wurde ein Abend mit großem Potential und guter Musik zum beschissensten seit langem.  

Aber warum ist das so?

Die Techno-Szene ist eigentlich bekannt für ihr Achten auf Consent und eine Null-Toleranz-Politik gegenüber übergriffigem Verhalten. Im besten Fall wird direkt an der Tür darauf geachtet, dass auch nur Menschen reingelassen werden, die sich an diese Philosophie halten. Wenn man Glück hat, ist auch noch ein Awareness-Team vor Ort. Jetzt gibt es aber leider das Problem, dass die Räumlichkeiten für die Münchner Subkultur immer knapper werden und die Mieten immer teurer. Während Raves im lieberscholli oder dem Ampere als Safe Space relativ gut abschneiden, fällt das Bahni – zumindest in meiner persönlichen Erfahrung – immer öfter durch: Beim Schattenduell-Rave während dem Oktoberfest wurden reihenweise Betrunkene in Tracht durchgewunken, und letzten Freitag reihenweise übergriffige Männer.  

Kommerz und der Untergang der Subkultur 

Wieso die Tür da so versagt, ist erstmal nicht nachvollziehbar, aber wahrscheinlich geht es um Profit. Mehr Tickets, mehr Getränke, mehr Geld. Obwohl der Schwund der Münchner Subkultur seit Jahren bemängelt wird, scheint sich nichts zu ändern. Demos wie die Krachparade stehen jedes Jahr aufs Neue auf und werden laut. Mitglieder einiger Kollektive geben Interviews und sprechen darüber, wie das Konkurrenzdenken der neuen Techno-Clubs das Überleben der Szene erschwert. Aber wenn sich an den Bedingungen nichts ändert, was können wir dann tun?  Immer einen Mann dabeihaben, der sich im Notfall dazwischen stellt? Nur noch in oversized-Kleidung weggehen, und hoffen, dass das doch irgendeinen Unterschied macht? Zuhause bleiben? Nein, auf keinen Fall. 

Szene machen – Jetzt! 

“When critique causes damage, I am willing to cause damage”. Sara Ahmed, die Autorin des Feminist Killjoy Handbook, bringt es auf den Punkt. Wir müssen laut werden. Auch wenn es auf Unverständnis trifft. Auch mir fiel es am Freitag schwer, eine Szene zu machen. Klar, man will ja nicht auffallen, sondern einfach in Ruhe tanzen, und vor allem auch niemandem den Abend verderben. Aber genau das müssen wir. Unser Unbehagen darf nicht unter dem der Täter stehen. Es muss eine Szene gemacht werden, um den Fokus auf die Täter zu lenken. Es muss Reibung entstehen, um dem Problem endlich Raum zu geben. Nicht wir müssen uns schämen, wenn wir uns gegen diese Übergriffigkeit wehren, sondern die Täter. Und die Umstehenden müssen mit aktiv werden und sich endlich mit den Opfern solidarisieren. Dafür braucht es Kulturräume, wie einst Freiham es war. Ohne Kommerz. Ohne 0815 Club-Klientel. Dafür mit Awareness-Teams und Solidarität. In einer Zeit, in der Safe Spaces knapp werden, dürfen wir uns nicht an diese Missstände gewöhnen, sondern müssen weiter Lärm machen wie bei der Krachparade. 

Denn das Ding ist, in zwei Jahren Freiham, wurde ich kein einziges Mal belästigt. Und das ist das Ding.