M94.5 Filmkritik
So flüstert das Wasser
„We need this film in the world today,“ sagt Hauptdarstellerin Sally Hawkins über “Shape of Water”. Hält der Film, was sie verspricht?
So viel Vorschusslorbeeren bekommt ein Fantasy-Film, wenn er nicht gerade Herr der Ringe oder Harry Potter heißt, nur selten: Shape of Water – Das Flüstern des Wassers ist für sage und schreibe 13 Oscars nominiert, unter anderem auch in der Königsklasse bester Film und beste Hauptdarstellerin. Nur eine Nominierung mehr und Shape of Water würde neben La La Land und Titanic in die Analen der meist-nominierten Filme eingehen.
Das Setting des Films dürfte Guillermo del Toro Fans vertraut vorkommen: Wie seine Klassiker Pans Labyrinth und Crimson Peak ist auch The Shape of Water – Das Flüstern des Wassers ein Film, der düster und ein bisschen mystisch daher kommt. Genre-technisch schwer greifbar, liefert er einen stimmigen, zeitweise sehr witzigen Mix aus Fantasy, Mystery, Kalter-Kriegs-Action und Märchen. Die Handlung setzt ein in den Vereinigten Staaten von Amerika, Anfang der 1960er Jahre. Elisa, eine unscheinbare, aber dennoch selbstsichere Frau, geht nachts ihrer Arbeit als Putzfrau in einem streng geheimen Hochsicherheitslabor nach. Eines Nachts wird vor Elisas Augen ein ominöser, dick gepanzerter Tank in das Labor geliefert. In seinem Inneren: ein seltsames Wesen, halb Mensch, halb Amphibie, das die Forscher aus den Amazonas-Gewässern gefischt haben.
Als es zur ersten Begegnung zwischen Elisa und dem Echsen-Mann kommt, erinnert die Szenerie sicherlich nicht zufällig an Jack Arnolds Horrorklassiker Der Schrecken aus dem Amazonas. Das schuppige Urzeit-Wesen greift nach der Hand der erschrockenen Frau. An diesem Punkt schlägt Shape of Water aber eine andere Richtung ein als Arnolds Klassiker von 1954. Statt Furcht weckt die Begegnung in Elisa eine tiefe Neugier – sie fühlt sich dem Wesen auf unerklärliche Weise verbunden und setzt ab diesem Zeitpunkt alles daran, es zu schützen. Die Forscher haben nämlich entdeckt, dass es mehr ist als bloß ein seltsamer Fisch: Es ist ein Urzeit-Gott.
Liebe ohne Worte
Für Elisa ist diese Tatsache aber nicht von Belang. Sie entwickelt eine große Zuneigung zu dem Wesen, die sich in Freundschaft und zunehmend Liebe wandelt. Das Besondere: Diese Liebe entsteht ohne einen einzigen Wortwechsel. Elisa und das Wasserwesen können beide nicht sprechen. Die stummen Szenen zwischen den beiden Figuren sprechen trotzdem Bände. Sehr intim und auf leise Art berührend sind diese Momente, nicht zuletzt weil der fulminante, ebenfalls für einen Oscar nominierte Soundtrack von Alexandre Desplat die ideale Untermalung dafür bietet.
Maximale Diversität
Eine heldenhafte, stumme Putzfrau und ein überirdisches Wesen als Hauptcharaktere also. Der Figurenreigen wird ergänzt um Elisas schwarze beste Freundin und ihren Nachbarn, einen schwulen, älteren Künstler. Ein bunterer Cast geht quasi nicht. Diesen verschrobenen, liebenswerten Charakteren gegenüber steht ein eiskalter, gnadenlos agierender Bösewicht. Genau das ist aber fast schon wieder klischeehaft, die Aufteilung in die Lager Gut und Böse etwas zu offensichtlich.
Shape of Water – Der Oscar-Favorit?
Trotzdem besticht Shape of Water mit seinem feinen Humor und seinen leisen Szenen. Auch, wenn der Gang der Geschichte von Anfang an ziemlich klar ist, ist der Film durch seine märchenhaften Bilder und den stimmigen Soundtrack keinesfalls langweilig. Das macht ihn für viele Kritiker jetzt schon zum heißen Favoriten um den Oscar für den besten Film.
“Shape of Water – Das Flüstern des Wassers” läuft ab 15. Februar 2018 in den deutschen Kinos.