Sexualisierte Gewalt
Verhütung wider Willen
Aus einer Studie der Universität Bielefeld von Schröttle und Kolleg:innen (2012) geht hervor: Mädchen und Frauen mit Behinderung sind im Schnitt drei mal so häufig von sexualisierter Gewalt betroffen, wie Mädchen und Frauen ohne Beeinträchtigung. Aber woran liegt das?
Trigger Warnung: Wenn es euch mit dem Thema Gewalt gegen Frauen / sexualisierte Gewalt nicht gut geht, dann lest euch den Artikel entweder mit einer Vertrauensperson durch, oder lest einen anderen M94.5 Artikel.
Mangelnde Aufklärung
Die Gesellschaft spricht Mädchen und Frauen mit Behinderung oftmals jegliche Sexualität ab, obwohl auch sie ganz normale sexuelle Bedürfnisse haben. Irmgard Deschler ist die Geschäftsleitung von Wildwasser München e.V., einer Fachstelle für Frauen, die sexualisierte Gewalt erfahren haben. Sie hat uns erzählt, dass Mädchen und Frauen mit Behinderung gar nicht oder nur unzureichend aufgeklärt sind. Dabei ist Aufklärung grundsätzlich ein sehr wichtiger Baustein, um sexualisierte Gewalt überhaupt erst zu erkennen. Der Grund dafür sind häufig die Eltern: Viele wollen verhindern, dass ihre Töchter potentiell Kinder bekommen könnten.
Hinzu kommt, dass einige Pflege- und Wohneinrichtungen beim Thema Verhütungsmittel ungefragt an den Betroffenen vorbei entscheiden, in Absprache mit dem Vormund. Alle drei Monate verabreichen einige Einrichtungen den Frauen z.B. eine Spritze, die sie für drei Monate unfruchtbar macht. Diese hat starke Nebenwirkungen, schützt nicht vor sexuell übertragbaren Krankheiten und das Wiedereinsetzen des Eisprungs kann nach Absetzung bis zu drei Jahre dauern. Die Mädchen und Frauen entscheiden sich nicht bewusst dazu und wissen in den meisten Fällen gar nicht, was diese Spritze genau bewirkt. Die Entscheidung zur Verhütung sei in den seltensten Fällen freiwillig, so Deschler. Und trotzdem ist das in einigen Einrichtungen gängige Praxis.
Gesellschaftliche Probleme
Es ist wichtig zu erwähnen, dass hinter der Häufung von Fällen sexualisierter Gewalt ein gesellschaftliches Problem steckt: Für Betroffene ist es sehr schwer, darüber zu sprechen und den Vorfall zur Anzeige zu bringen. Und das vor allem bei Mädchen und Frauen mit geistigen Beeinträchtigungen – da ihnen aufgrund ihrer Behinderung häufig kein Glauben geschenkt wird. Hinzu kommt die Abhängigkeit von Dritten: denn die geminderte Selbstständigkeit stört die Entwicklung eines positiven Körperbilds. Das macht es nochmal besonders schwer, sich gegen Übergriffe zu wehren.
Schlussendlich…
Ein wesentliches Ziel ist es, Mädchen und Frauen mit Behinderung besser vor Gewalt zu schützen. Gewaltpräventionsprojekte wie WIMA bieten Selbstbehauptungskurse an und wollen mit Betroffenen eine eindeutige Sprache entwickeln, damit sie ihre Grenzen klar und deutlich kommunizieren können.
Über das Erlebte zu sprechen, ist meist der erste Schritt. Wer nicht mit Vertrauenspersonen sprechen möchte / kann, kann sich auch in vertraulichem und anonymen Rahmen beim Hilfetelefon melden unter 08000 116 016.
Kein betroffenes Mädchen und keine betroffene Frau ist Schuld an dem, was passiert ist.
Sie sind ebenfalls nicht alleine.
#GewaltgegenFrauen #sexualisierteGewalt #Inklusion
Und die Täter:innen?
Wenn ihr euch noch weiter mit dem Thema befassen möchtet, dann hört doch gerne in die zugehörige M94.5 To Go Podcast-Folge rein.