Best Of
Serien-Highlights 2019
Zwischen den Jahren ist zwischen den Staffeln: Traditionsgemäß nutzen wir die Weihnachtsferien, um das Beste vom Besten in Sachen Serien noch einmal Revue passieren zu lassen – unsere persönlichen TV-Lieblinge des Jahres.
Chernobyl (HBO, 1. Staffel)
Episch ist das Wort, das am grellsten hinter der Serie Chernobyl hervorleuchtet. Die britisch-amerikanische Co-Produktion hat dieses Jahr versucht, Geschichte zu schreiben. Eine Geschichte, die auf dem Bildschirm bisher wenig bis gar nicht bebildert wurde: das Atom-Unglück in Chernobyl 1986. Als Serienzuschauer kennen wir das Ergebnis: alle sterben. Und da trifft es schon besonders, wenn wir langsam und beeindruckt dabei zusehen, wie die tödlich verseuchte Asche in den dunklen Nachthimmel regnet und sich auf die spielenden Kinder und Menschen legt, auf die Feuerwehrmänner, die versuchen, den Brand einzudämmen.
Das brennt sich grausam in den Kopf. Nicht zuletzt, weil cinematografisch hier eindrucksvoll gearbeitet wird. Das ist fast schon ein wenig zu dramatisch-dick aufgetragen. Über fünf Folgen werden die Reaktor-Katastrophe, sowie die darauffolgenden Ermittlungen nacherzählt.
Nacherzählt – das ist bei historischen Ereignissen immer so eine Sache. Besonders, wenn sie bisher noch nicht erzählt wurden. Dabei „richtig“ zu erzählen, bleibt unmöglich, der Versuch zwangsläufig politisch. Eine amerikanisch-britische Co-Produktion bleibt dabei selten neutral. Trotzdem ist Chernobyl eine herausstechende Serie, stilistisch und inhaltlich. Die Miniserie zeichnet packende, kinoreife Bilder in Spielfilmlänge und ist damit zurecht eine Empfehlung wert. vs
Dark (Netflix, 2. Staffel)
„Och nö, kommt schon. Staffel 1 hatte doch so ein geniales Ende. Das kann nicht noch besser werden. Belasst es einfach dabei.“
Das waren meine Gedanken, als die zweite Staffel von Dark angekündigt wurde. Denn Staffel 1 hatte mir bereits genügt. Einfach mal eine Serie, die genial, düster, packend war – und darüber hinaus noch bewies, dass hochwertige Mystery-Produktionen auch aus Deutschland stammen können. Das Netflix-Original rund um das Thema Zeitreisen kam bei den Zuschauern aber so gut an, dass es natürlich eine weitere Staffel geben musste. Und die hatte es in sich.
Neue Zeiträume, neue Charaktere, neues Chaos. Doch wer, wie ich, gedacht hat, dass Staffel 1 an Spannung und Genialität nicht zu überbieten sein wird, der irrte sich. Begebt euch mit Jonas auf die Suche nach dem Anfang allen Übels, geht neuen Fragen nach und werft vor allem viele neue Fragen auf. So komplex wird die Handlung, dass der Versuch einer Zusammenfassung eigentlich nur scheitern kann. Deshalb sei einfach nur gesagt: Willkommen in der Zukunft. Staffel 3 – wir sind bereit. jr
Euphoria (HBO, 1. Staffel)
Euphoria ist die Art von Serie, die sich nur schwer in einer Marathon-Sitzung wegschauen lässt, sondern besser in handlichen Episodenhäppchen zu verpeisen ist – und das ist womöglich das größte Kompliment, das man der Serie machen kann. Dabei ist die Story im Kern so simpel: Wie häufig haben wir schließlich schon hypersexualisierte, mit Drogen experimentierende, an der Schulzeit vorbei Party machende Teenager über die Leinwand tanzen sehen? Zuweilen erinnert Euphoria tatsächlich an eine bis zur Maximallautstärke aufgedrehte, modernisierte Version des Serienerfolgs Skins. Nur mit mehr woke Gesellschaftskritik. Und mehr Dick Pics.
Anders als so viele andere Party-Teenie-Formate nimmt Euphoria seine Figuren aber erstaunlich ernst. Jeder einzelne, anfänglich noch so unsympathische Charakter erhält eine Background Story, die ihn, wenn auch nicht unbedingt sympathischer, so doch immerhin nachvollziehbarer macht. Wie viel können wir schon für unsere Erziehung? Wie viel Verantwortung für die eigene Persönlichkeit trägt der Einzelne, wie viel die Gesellschaft?
Neben dem Drehbuch besticht Euphoria vor allem durch den ungewöhnlichen Erzählstil von Showrunner Sam Levinson. So verleihen die originelle, zuweilen surreal anmutende Kameraarbeit und die stilisierte Beleuchtung der Serie einen ganz eigenen Look, clevere Szenenübergänge einen natürlichen Flow. Immer dann, wenn die Geschichte zu drüber zu werden scheint, wird geschickt mit dem Erzählrahmen gebrochen: Etwa wenn eine manische Episode der Hauptfigur in ein Investigativ-Drama à la True Detective ausartet oder die Staffel mit einer plötzlichen, perfekt durch choreographierten Musical-Nummer endet. Euphoria hat sicher nicht den Anspruch, realistisch zu sein. Und doch gehört es zu den authentischsten Serien des Jahres. nc
Fleabag (BBC/Amazon, 2. Staffel)
Eine Frau in ihren Dreißigern steht vor einem Scherbenhaufen von Leben. Und lächelt tapfer in die Kamera. Wir, das Publikum auf der anderen Seite der Kamera, sind schließlich ihre Freunde, die sie immer begleiten und als einzige ihre süffisanten Live-Kommentare hören können.
Phoebe Waller-Bridge (auch verantwortlich für Killing Eve) hat nicht nur das vor Ironie nur so sprühende Drehbuch zu Fleabag geschrieben, sondern übernimmt auch die Hauptrolle. Sie kontrastiert gekonnt die verzweifelt dunklen Seiten des Lebens mit den Absurditäten des Alltags: Ihr Freund erwischt sie beim Masturbieren zu einer Obama-Rede. Ihre Patentante verführt ihren frisch verwitweten Vater. Sie verliebt sich hoffnungslos in einen unwiderstehlichen, katholischen Priester und fragt sich, ob sie auch dann eine Feministin wäre, wenn sie größere Brüste hätte.
Der hot priest, der postwendend zum Internetphänomen wurde und dem Geistlichen-Genre auf Porno-Plattformen einen gehörigen Beliebtheitsschub verpasst hat, wird von Andrew Scott dargestellt, berühmt geworden als Moriarty in Sherlock. Er verleiht dem Geistlichen einen wunderbar unbeholfenen Charme. Und man durchleidet mit ihm die existenzielle Krise, in die er durch Fleabag gerät. Überhaupt ist Fleabag großartig besetzt – nicht zuletzt mit Oscarpreisträgerin Olivia Colman als herrlich fieser Stiefmutter. Einziger Wermutstropfen: Diese zweite Staffel war nun auch die letzte. Wenn sie in der letzten Szene in die Kamera winkt, ist es also ein Abschied für immer. ml
Good Omens (BBC/Amazon, 1. Staffel)
Apokalypse, Armageddon, Ragnarok; das Ende der Welt in seinen vielen Formen ist ein ziemlich beliebtes Motiv in der Film- und Serienwelt. Good Omens dreht sich zwar um eben dieses überstrapazierte Thema, aber schafft es, die Geschichte vom Ende der Welt orginell und lustig zu erzählen.
Die Serie basiert auf dem Erfolgsroman Good Omens: The Nice and Accurate Prophecies of Agnes Nutter, Witch von Neil Gaiman und Terry Pratchett. Die Protagonisten sind Engel Aziraphale (Micheal Sheen) und Dämon Crowley (David Tennant) – gemein haben sie wenig, aber von Armageddon sind beide nicht sonderlich begeistert. Eine Existenz ohne irdische Freuden, wie Dillsauce, Crêpes oder Songs von Queen, scheint undenkbar. Also beschließt das ungleiche Duo, den bevorstehenden Weltuntergang gemeinsam zu verhindern. Micheal Sheen und David Tennant gehen in ihren Rollen komplett auf und ergänzen sich in ihren Gegensätzen perfekt. Daneben nimmt Good Omens sich aber auch Zeit für die größeren Fragen, wie etwa nach der Trennung von Gut und Böse, und erinnert seine Zuschauer, dass die Menschen sich selbst einfach nicht zu ernst nehmen sollten.
Mit viel schwarzem Humor, schrägen Charakteren und einer Prise Selbstironie („Als ob Armageddon eine Show wäre, die du in so vielen Ländern wie möglich verkaufen willst“), ist Good Omens ein himmlischer bzw. höllischer Spaß. Die perfekte Serie für das Ende des Jahrzehnts. jm
RuPaul’s Drag Race UK (BBC/Hulu, 1. Staffel)
Amerika hat es, Thailand hat es, sogar Deutschland hat es (na gut, darüber lässt sich streiten), und jetzt auch England: ein Dragrace! Nach elf sehr erfolgreichen Staffeln, vier AllStars und sechs Emmys befindet sich das Reality-TV-Schlachtschiff RuPaul‘s DragRace auf Erfolgskurs nach Großbritannien. Der UK-Ableger ähnelt stark dem amerikanischen Vorbild: In der Jury sitzen RuPaul und Michelle Visage, der britische Werkroom gleicht dem amerikanischen aufs Haar, es gibt ein Snatchgame und eine PitCrew – ach nein, sorry: BritCrew. Trotzdem ist das UK-Race sehr viel mehr als ein Lückenfüller bis zur nächsten US-Staffel. Die zehn angetretenen Queens bringen den typisch britischen Style – geprägt von Ikonen wie Vivienne Westwood, Kate Moss oder der Queen – auf die Main Stage. Erstmals ist eine pansexuelle Teilnehmerin am Start, die aktuell eine Beziehung mit einer Frau führt. Und man erfährt als Zuschauer viel über die momentane Stimmung im Land aus einer queeren Sicht und über den Kampf dafür, dass die Ehe für alle auch in Nordirland legalisiert werden soll. Gerade für ein europäisches Publikum macht das das Format wirklich interessant, wenn nicht sogar interessanter als das Original.
Die hohen Einschaltquoten sprechen für sich. Beim britischen Publikum kam die Staffel so gut an, dass jetzt schon eine zweite gesichert ist. Einzig ein Preisgeld hätte BBC Three schon für die Gewinnerin springen lassen können… Das hat sogar die deutsche Show geschafft. Darum: You better weeerk, BBC! sf
Russian Doll (Netflix, 1. Staffel)
Nadia Vulvokov (Natasha Lyonne, bekannt als Nicky aus Orange Is The New Black) wird 36. Eigentlich ein ganz normaler Abend: Ihre Freunde schmeißen ihr eine Party, sie geht mit einem One-Night-Stand heim. Schöner Geburtstag? Nicht ganz. Nadia wird von einem Taxi überfahren und stirbt. Doch tot ist sie nicht: Nadia Vulvokov wird 36. Wieder. Sie ist in einer Zeitschleife gefangen und durchlebt (bzw. durchstirbt) immer wieder denselben Tag. Doch Nadia ist nicht allein. Auch Alan (Charlie Barnett) ist in diesem einen Tag gefangen. Ob und wie die beiden aus dieser Zeitanomalie entkommen können, erfährt der Zuschauer in acht kompakten Folgen.
Wer denken sollte, dass Russian Doll lediglich ein moderner Abklatsch von Und täglich grüßt das Murmeltier ist, der liegt weit daneben. Zwar ist das Grundkonzept dasselbe, Russian Doll geht allerdings weiter als der Filmklassiker. Die Serie ist teils Drama, teils Komödie, teils sogar übernatürlicher Horror. Wie sich die Storyline entwickelt, ist im Laufe der Serie kaum vorherzusehen. Immer wenn man gerade denkt, man weiß, worum es geht, kommt ein neues Element hinzu. Dieser Genre-Mix ist Herzensprojekt von Hauptdarstellerin Natasha Lyonne, sie hat die Serie mitproduziert und auch Regie geführt. Lyonne trägt die Serie mit ihrer Authentizität, es wirkt so, als müsste sich die Schauspielerin kaum verstellen, um Nadia überzeugend darzustellen.
Selten war Sterben so lustig. Vor allem die ersten Folgen, in denen Nadia lernt, mit der neuen Situation klarzukommen, sind teils urkomisch. Noch besser wird Russian Doll aber, wenn es ernst wird. Die Figuren wirken wie aus dem echten New Yorker Leben entnommen, ihre Ängste, Motivationen und Sorgen sind mehr als nachvollziehbar. All das sorgt für ein Serienerlebnis, bei dem man wirklich nicht abschalten kann – Russian Doll funktioniert am besten, wenn man es am Stück sehen kann. Optimal für den Neujahrstag also.
Dass eine derart stimmige Story eigentlich gar keine Fortsetzung braucht, ist für Netflix allerdings kein Argument: Die zweite Staffel ist bereits bestellt. Wann die Fortsetzung von Russian Doll erscheinen soll, ist aber noch nicht bekannt. Bis dahin kann man ja aber die erste Staffel wieder schauen. Und wieder. Und wieder. ap
Sex Education (Netflix, 1. Staffel)
Fremdschämen war noch nie so charmant – und unterhaltsam: Sex Education hat sich auf Netflix längst zum britischen Teenie-Komödien-Klassiker gemausert. Skurrile, nerdige Einzelgänger scheinen es dem Streaming-Anbieter angetan zu haben.
Hauptcharakter Otis can get no satisfaction. Er ist traumatisiert von einer Mutter, die als Sex-Coach arbeitet und für die das Privatleben eines unsicheren Teenagers absolut kein Begriff ist. Unterstützt von seinem schwulen besten Freund Eric und der rebellischen Maeve startet Otis unterwartet als Sextherapeut für seine Mitschüler durch. Deren Sexleben ist so ganz anders als die glattgebügelte Hollywood-Liebe, die wir sonst aus Serien gewohnt sind. Und genau das macht Sex Education so erfrischend zeitgemäß und so angenehm unangenehm.
Die kurzweiligen acht Folgen lohnen sich nicht zuletzt für ihren catchy Soundtrack: Ein Mix aus nostalgischen Pop-Ikonen der 80er und 90er, Indie-Hits und neu geschriebenen Songs von Ezra Furmann. Sehr britisch, sehr hip und nicht nur was für Teenies. vs
Stranger Things (Netflix, 3. Staffel)
Kennt eigentlich noch irgendjemand Limahl? Der Typ, von dem der 80s Hit „Neverending Story“ ist? Dustin und Suzie haben ihm zu neuem Ruhm verholfen, denn ihre Version von „Neverending Story“ hat das Internet für Wochen mit Memes geflutet und ist für Staffel 3 des Netflix-Klassenprimus Stranger Things ikonisches Aushängeschild geworden. Ansonsten ist an der Story der jüngsten Staffel von Stranger Things leider nicht so viel ikonisch. Es geht schon zum dritten Mal um ein Monster, das aus dem Upside Down ausgebüxt ist und die Bewohner von Hawkins fressen will. Trotzdem kuckt man sich das gerne an. Weniger wegen der Story, mehr der Figuren wegen. Eleven, Mike und ihre Freunde sehen mit ihren 80s-Schulterpolstern und Pilzkopf-Frisuren nach wie vor so cool aus und spielen so begeisternd, dass man unbedingt mehr von ihnen sehen will und die Staffel mal wieder in einer Nacht durchbinget.
Kinderstars sind sie nicht mehr, insgesamt geht es viel darum, dass die Serie mit ihren Protagonist*innen mitgewachsen ist – das Thema Erwachsenwerden trifft Staffel 3 mit Karacho. Eine weitere coole Entwicklung ist, dass Staffel 3 mehr in Richtung Trash-Horror rückt. Aber auch wenn der Demogorgon und der Mindflayer jetzt noch einen etwas brutaler und ekliger aussehenden Kollegen bekommen, kann man sich die Serie weiterhin genauso gut ansehen, wenn man kein Splattermovie-Fan ist.
Ansonsten verspricht Stranger Things tatsächlich eine neverending story zu werden. Staffel 4 ist schon gesichert – mit Chance auf Staffel 5. sf
The End of the F***ing World (Netflix, 2. Staffel)
Ein Mädchen im Hochzeitskleid, immer einen verächtlichen Blick im Gesicht und ein Schimpfwort auf den Lippen. Neben ihr ein staksiger Wuschelkopf mit entschuldigendem Blick. Das Setting: ein blau-grün düsterer Wald, Blut und sehr viel schwarzer, trockener Humor. 2019 hat uns die zweite Staffel der schrulligen Netflix-Serie The End of the F***ing World beschert.
Ja, die britischen Teenager James und Melissa wieder aufleben zu lassen und nochmal auf einen Roadtrip zu schicken, ist etwas gewollt. Der nicht mehr psychopathische, introvertierte James will Melissa diesmal nicht umbringen. Er will sie vor einer Morddrohung bewahren. Melissa ist verlobt, doch die beiden hauen zusammen ab. Ein wenig leidet dabei die Dynamik des schrägen Duos, verliert die wunderbare Absurdität der vorherigen Episoden. Der Kern bleibt aber und mit ihm die brillante Schauspielleistung.
Zwei so wunderbar verqueeren Charakteren schaut man einfach gerne zu, auch ein zweites oder drittes Mal. Die Ästhetik à la Wes Anderson und ein erneut fabelhafter Soundtrack mit viel Retro-Charme tun ihr Übriges. Zwar ist die zweite Staffel The End of the F***ing World bei weitem nicht so originell wie die erste, liebens- und sehenswert ist sie aber trotzdem. Alleine um noch einmal dabei zuzuhören, wie Melissa mit den Augen rollt und in breitem Yorkshire-Dialekt ein „Shit, James!“ in die Länge zieht. vs
The Morning Show (Apple TV, 1. Staffel)
Halb vier Uhr morgens. Um diese Uhrzeit klingelt bei Alex Levy (Jennifer Aniston) und Mitch Kessler (Steve Carell) jeden Morgen der Wecker. Denn: Die beiden sind Starmoderatoren im US-Frühstücksfernsehen. Doch dann werden die beiden statt vom Wecker von einem Anruf geweckt. Mitch Kessler wird gefeuert. Der Grund: sexuelle Belästigung von Kolleginnen. Neben dem PR-Desaster muss der Sender sich schnellstmöglich um Ersatz kümmern. Die Wahl fällt auf die junge, aufstrebende Reporterin Bradley Jackson (Reese Witherspoon). Während zwischen den beiden Moderatorinnen nach und nach ein Intrigenspiel beginnt, fürchtet Mitch Kessler um seinen Ruf.
In Zeiten der #MeToo-Debatte ist The Morning Show die wohl aktuellste Serie im Jahr 2019. Zusätzlich liefert sie einen Einblick ins Nachrichtengeschäft und stellt sich die Frage: Wie wichtig ist journalistischer Wahrheitsgehalt noch, wenn einem ganzen Unternehmen dadurch der Untergang droht? Vor allem Aniston und Witherspoon liefern als dynamisches Duo schauspielerische Meisterleistungen und zeigen ihr Talent fernab von Sitcom oder Romcom. Ehrlich, ergreifend und real. sl
When They See Us (Netflix, 1. Staffel)
Eine einzige, kurze Entscheidung kann dazu führen, dass dein ganzes Leben für immer zerstört ist. Gerade war Korey noch beim Essen mit seiner Freundin, dann entscheidet er sich spontan, mit seinen Freunden in den Park zu gehen. Letztlich bringt diese Entscheidung ihm und seinen vier Freunden eine 14-jährige Gefängnisstrafe ein. Polizisten, die in den afro- und latino-amerikanischen Teenagern etwas sehen, was sie nicht sind, schieben ihnen eine Vergewaltigungsstraftat in die Schuhe. Dabei ergreifend ist, dass immer wieder solche Ungerechtigkeiten passieren, dass man die Serie schon als Zuschauer zwischendurch schwer ertragen kann und es unvorstellbar erscheint, selbst mittendrin zu stecken.
When They See Us beschreibt eine wahre Tragödie, die sich vor 30 Jahren in den USA zugetragen hat. Im Internet sind tonnenweise Artikel, Fotos und Interviews von den echten „Central Park Five“ zu finden, u.a. sogar das erzwungene Zugeständnis zur Tat von Korey Wise aus 1989. Die Netflix-Kurzserie mit nur vier Folgen bleibt nah an den Jungs und deren Familien und zeigt die Geschehnisse von Anfang an aus deren Perspektive. Dadurch bleibt der Zuschauer fassungslos zurück und kann nur mit Tränen in den Augen auf den Bildschirm starren und sich fragen, wie so etwas wirklich passiert sein – und weiterhin passieren – kann. Gleichzeitig beschleichen einen Schuldgefühle dafür, dass man selbst in seiner naiven, heilen Welt leben kann, ohne etwas von dieser Diskriminierung mitzubekommen. Eine schwer verdauliche, aber wichtige Produktion. lb
Years and Years (BBC, 1. Staffel)
Nachdem die fünfte Staffel von Netflix-Erfolg Black Mirror dieses Jahr Fans weltweit tief enttäuschte, klaffte ein unbefriedigendes Loch in der SciFi-Serienwelt. Wo sonst sollten wir denn jetzt unseren selbstkritischen Techno-Pessimismus her bekommen? Unsere gruseligen Dystopien, grade nahe genug an der Gegenwart, dass man eigentlich nicht hinschauen möchte und eben doch nicht wegschauen kann? Mit Years and Years liefert die BBC wenn schon keinen gleichwertigen Ersatz, so doch immerhin einen würdigen Lückenfüller.
Die britische Serie erzählt in einem fiktionalisierten Schnelldurchlauf die nächsten 15 Jahre unserer Gesellschaftsentwicklung nach. Um in dem zwangsläufig daraus resultierenden Zukunftschaos eine kohärente Geschichte zu spinnen (und um die straffen Budgets der BBC zu schonen), folgen die sechs einstündigen Folgen den Mitgliedern einer einzigen, britischen Familie. Die Figuren, so unterschiedlich sie auch sein mögen, haben alle mit den selben Problemen zu kämpfen: Rechtsruck der Politik, Finanzkrisen, soziale Ungleichheit, Flüchtlingswellen, Atomkriege. Ähnlich wie bei Black Mirror liegen die zuweilen zugespitzten Szenarios doch immer so nah an der jetzigen Realität, dass der Zuschauer sich mit einem seltsamen Grundmisstrauen gegenüber seiner Umwelt zurückgelassen sieht. Spätestens nach den ersten zwei Folgen verlässt man das Haus mit einem unguten Gefühl und der leisen Vorahnung, dass jede Sekunde die komplette Zivilisation kollabieren könnte.
Zwar driftet Years and Years zum Ende hin ein wenig ab ins Melodramatische und die gezeigten technischen Fortschritte wirken im Vergleich zu anderen Science-Fiction-Formaten fast plump. Aber sehenswert sind diese sechs angenehm gruseligen Stunden allemal – wenn auch nur, um Emma Thompsons Parodie eines weiblichen Donald-Trump-Verschnitts zu bestaunen. nc