Platte des Monats: September 2015
Schnipo Schranke – Satt
Schnipo Schranke liebt man nicht ein bisschen, Schnipo Schranke liebt man übertrieben. Ein unkonventionelles Album über die Spielarten der Liebe ist die M94.5 Platte des Monats September.
Schnitzel mit Pommes, Ketchup und Mayonnaise – auch das wäre ein interessanter Bandname gewesen. Aber Fritzi Ernst und Daniela Reis sind Freundinnen des knappen Wortes und haben sich für die Kurzform entschieden: Schnipo Schranke. Für Furore hat das Video zur Single Pisse gesorgt und das nicht wegen des Titels, sondern aufgrund der Tatsache, dass darin ein Penis zu sehen ist. Der gehört dem Schlagzeuger Ente Schulz, der früher für Rocko Schamoni Schlagzeug gespielt hat.
Berufswunsch: Irgendwas mit Fame
Rocko Schamoni ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass die beiden ehemaligen Musikstudentinnen (Blockflöte bzw. Cello) mit ihrer Band ihrem Berufswunsch “Irgendwas mit Fame” (wie sie im steckbriefartigen Schnipo Song singen) ein gutes Stück näher gekommen sind. Schamoni mochte das Demo und half bei der Labelsuche. Man kann Schnipo Schranke in der Tradition der Lassie Singers, der Heiterkeit oder der Moulinettes sehen. Zwei vorlaute Frauen, die keinen Hochglanz-Pop machen, der nach Photoshop klingt, sondern die Musikpresse mit vergleichsweise simplen Mitteln wahlweise zum Jubeln oder zum Kotzen bringen.
Beziehungsstatus: Nicht zu gebrauchen
Sie meinen nicht ironisch, was sie singen, sagen Fritzi und Daniela im M94.5-Interview. Ein bisschen Selbstironie lasse sich allerdings nicht vermeiden. Dass man als Hörer schmunzeln muss über die Texte von Schnipo Schranke, liegt oft daran, dass man nicht recht glauben kann, was die beiden Damen in sehr konkreten Worten und lapidarer Beiläufigkeit von sich geben. Das Vokabular lässt aufhorchen, über Rudelficken, Sackhaar, den Geschmack von Sperma und stinkende Socken wird schließlich nicht jeden Tag gesungen. Eigentlich geht es aber um Liebe und Beziehungen, und zwar die in der Popmusik etwas vernachlässigten Varianten: Staranhimmelei mit Sexträumen, das Ende der ersten Beziehung, unerwiderte Liebe, ungleich verteilte Gefühle, Abhängigkeiten und Gewalt in einer Partnerschaft: “Ich würd dich gern mal treffen, doch ich werf immer daneben. Denkst du, das Bügeleisen kann man wieder kleben? Hör doch mal auf, dich so hektisch zu bewegen, sonst komm ich nicht drumrum, den ganzen Hausrat zu zerlegen.” Und ein devotes Mädchen lässt sich drei Tage im Schrank vergessen, während ihr Kerl zur Bandprobe geht.
Das ist die neue Schule, das ist Schnipo Schranke…
…ne Kurze und ne Kranke, zwei Emos, ein Gedanke”, beschreiben die beiden Damen zu Beginn der Platte ihr Projekt. Die Texte sind respektlos und fallen deshalb auf. Das klingt manchmal derb und manchmal nach Spruchkalender: “Waren wir je zusammen? Oder einfach nur zu zweit?” Der Gesang ist bisweilen ein bisschen schief oder halb gerappt. Zu Keyboard und Schlagzeug gibt es mal ein bisschen Glockenspiel oder etwas Blockflöte. Damit ist die Gefahr gebannt, dass das Album in romantischem Schmalz ertrinken könnte.
Satt ist ein Debütalbum, von dem man glaubt, nach dem ersten Hören schon alles zu wissen. Wie sehr man sich damit irrt, wird erst klar, wenn man es mindestens ein Wochenende in Dauerschleife konsumiert: “Ich kann mich verändern. Wie hättest du mich denn gern? Ich bin schon besser jetzt als eben oder morgen. Und gerade jetzt bin ich noch besser geworden.”
Das gilt nicht nur für die Protagonistin in Pisse, das gilt für das ganze Album.
“Satt” von Schnipo Schranke erscheint am 4. September 2015 bei Buback.