M94.5 Theaterkritik
Ronja Räubertochter
Die Geschichte von Astrid Lindgren über das Räuberkind Ronja, das in einer Gewitternacht geboren wird, mit Wichtel und Druden aufwächst und am Ende einen Todfeind zum besten Freund hat, schafft es auf die Bühne. Nicht zum ersten Mal, aber zum ersten Mal auf die Bühne des Residenztheaters.
„Ich schreibe Märchen und die Menschen brauchen Märchen. So war das schon immer. Und so ist es immer noch.“
Astrid Lindgren, bei der Pressevorstellung von Ronja Räubertochter 1981
Und gerade weil wir Märchen brauchen, ist der Stoff von “Ronja Räubertochter” eben auch etwas fürs Theater. Für die Kleinen, vielleicht aber auch für die Großen. In der neuen Inszenierung des “Resi für alle” konnte man der hervorragenden Buchvorlage, jedoch nicht wirklich gerecht werden. Warum?
Das “Resi für alle”
Früher das “Junge Resi” heißt das Format seit der Spielzeit 19/20 jetzt “Resi für alle”. Denn alle können mitmachen. Und so kommt es, dass sich in der Mattis-Räuberbande auch viele Laiendarsteller befinden. Einmal als “Normalo” auf der Bühne des Residenztheaters stehen, wird somit möglich. Ein charmanter Gedanke, allerdings wäre es dann auch schön, wenn jedes Geschlecht, die passende Rolle in der Inszenierung erhälten würde. Frauen mit Bart? Warum nicht einfach Räuberinnen in der Bande? Ronjas Mutter Lovis ist schließlich das beste Beispiel für eine unerschrockende, tapfere Räuberin.
So tapfer und lebendig wie im Buch
Das ist Ronja, gespielt von Paula Hans. Denn sie bringt das Energielevel auf die Bühne, das eine wilde Räubertochter, die in einer großen Burg in einem magischen Wald mit geheimnisvollen Kreaturen wohnt, haben sollte. Die Geschichte der Räuberstochter, die sich mit Birk, dem Sohn des Todfeindes ihres Vaters Mattis, anfreundet, kennen viele wohl noch aus ihrer Kindheit. Gerade deswegen ist den Stoff den Daniela Kranz hier auf die Bühne bringt so emotional und nostalgisch. Eng am Originaltext sammelt das Stück hier schon einmal Pluspunkte, verliert jedoch gleich schon wieder ein paar für streckenweise langatmige Passagen. Bald darauf folgen dann aber wahnsinnig schnelle Wandlungen und Entwicklungen der Charaktere, die der Zuschauer, egal welchen Alters, doch schwer nachvollziehen kann.
Erneut musikalisch
Wie auch schon im letzten großen Stück für Kinder im Residenztheater (“Alice im Wunderland”) wird auch bei dieser Inszenierung wieder stark auf musikalische Abwechslung geachtet. Das funktioniert leider aber eher semi-gut. Außer dem Song “Ronja – ja, ja”, der zwar einfach daherkommt, aber absolutes Ohrwurmpotenzial bietet, wäre das Stück ohne Musik besser gefahren. Zu gut sind Lindgrens Dialoge um unnötig mit musikalischen Einlagen unterbrochen zu werden, die größtenteils nicht zur Stimmlage der jeweiligen Charaktere passen.
Toller Look mit mehr Ernst
Absoluter Hingucker ist allerdings das Bühnenbild und die Kostüme aller Darsteller. Die Drehbühne des Residenztheaters verwandelt sich so in wenigen Augenblicken von einer alten, zerbrochenen Burg in einen magischen Wald mit perfektem Blätterdach. Und die Graugnome mit ihren drei Köpfen inklusive leuchtend roter Augen, sind so überzeugend gruselig, dass viele Kinder in den Armen ihrer Eltern Schutz suchen. Ebenso viel Ernst wie in dem Bühnenbild und den Kostümen steckt, hätte der Zuschauer sich leider auch im Rest der Inszenierung gewünscht. Denn auch Kindern kann etwas zugetraut werden. Vielleicht hätte es hier ab und an gut getan Astrid Lindgren ein wenig mehr zuzuhören, als sie gesagt hat:
“Ich weiß nicht, was man von der Kinderliteratur erwarten kann, wegen Tabus. Aber ich kenne keine Tabus. Ich schreibe, was ich will und was ich wünsche, ohne nach links oder rechts zu gucken und zu sagen: Was werden sie davon denken?”
Astrid Lindgren