Filmklassiker der Woche
Rock N Rolla
In der Gaunerkomödie Rock N Rolla aus dem Jahr 2008 besinnt sich Guy Ritchie – mal wieder – auf seine Anfänge: Eine Ansammlung cooler Typen darf sich durch die Londoner Unterwelt schlagen und dabei ein paar unterhaltsame Lebensweisheiten zum Besten geben.
“Nichts gibt größeres Vergnügen, als Betrüger zu betrügen”, schrieb Karl Wilhelm Ramler. Guy Ritchie liefert dafür mit Rock N Rolla den Beweis: Ein Londoner Unterwelt-Boss will einen russischen Oligarchen über den Tisch ziehen, die drei Kleinganoven mit Hilfe einer gelangweilten Buchhalterin übers Ohr hauen. Und die wiederum von besagtem Unterwelt-Boss erpresst werden. Der aber wiederum von seinem drogensüchtigen Rockstar-Stiefsohn hinters Licht geführt wird.
It’s a man’s world…
Es ist – wie üblich – eine Männerwelt, die Guy Ritchie inszeniert. Weibliche Charaktere sind rar. Aber wie es bei James Brown so schön heißt: “This is a man’s world. But it would be nothing without a woman or a girl.” Für die weibliche Note sorgt einerseits Gemma Arterton, die in ein paar Szenen das naive Dummchen spielen darf, das sich allerdings als wesentlich cleverer als ihre Chefs entpuppt. Dreh- und Angelpunkt der verwickelten Story ist aber Thandie Newtons Part. Die gelangweilte, abgebrühte Buchhalterin Stella hält die Fäden in der Hand: unwiderstehlich cool, klug und sexy.
Das Geheimnis einer witzigen Sex-Szene
Weil Gerard Butler während der Dreharbeiten an einer Halsentzündung laborierte, hat Rock N Rolla eine ungewöhnliche Liebesszene zu bieten – nur ein paar Sekunden lang und schnell geschnitten. Abwechselnd sieht man Butler und Newton. Nahe kommen mussten sich die beiden Darsteller:innen nie. Weil der Film in nur sechs Wochen gedreht wurde, war Improvisation angesagt. Entsprechend ungekünstelt und bisweilen wild ist das Ergebnis. Ritchie lässt seinen Stars Raum, ausreichend viele hat er engagiert: Tom Wilkinson mit Glatze, Mark Strong mit Toupet, Tom Hardy als schwuler Frauenmagnet, Idris Elba als Sexiest Gangster Alive, Jeremy Piven und Ludacris als ahnungslose Musikproduzenten, die zwischendurch in Reimen sprechen.
Philosophierende Gauner und eine Liebeserklärung an London
Es wäre kein Ritchie-Film, wenn die Charaktere nicht ihre Lebensweisheiten auspacken dürften. Der Dealer beschreibt das Junkie-Dasein mit dem schauerlichen Geräusch, das ein Mann macht, der seine Seele durch eine Pfeife zu saugen versucht. Ein anderer erklärt den Wert einer gekonnt ausgeführten Ohrfeige, die den Geschlagenen in seine Schulzeit zurück versetzt. Die kultivierte Ganoven-Oberschicht darf darüber schwadronieren, dass Schönheit eine grausame Geliebte sei.
Ritchie macht seinem London nebenbei eine Liebeserklärung. Das Publikum bekommt eine “Architektour” durch Englands Hauptstadt. Einige der Drehorte stehen mittlerweile nicht mehr, wurden abgerissen oder luxussaniert. Die wahnwitzigen Immobilienspekulationen in London schaffen den Hintergrund für den Plot und haben im Rückblick eine prophetische Qualität: Kurz nach den Dreharbeiten platzte die Immobilienblase und wuchs sich zur Finanzkrise von 2008 aus.
Rock N Rolla ist nicht nur schön anzusehen, sondern auch großartig anzuhören. Der Soundtrack ist dem Filmtitel entsprechend voller Rock’n’Roll: Von The Clash über The Hives bis Wanda Jackson und Lou Reed. Und wer sich für Filmgeschichte interessiert, kann über die wahre Gestalt des MacGuffin auf dem Bildschirm spekulieren.
Rock N Rolla kann unter anderem über Amazon, iTunes und Google Play gestreamt werden.