M94.5 ALBENREVIEW
Red Hot Chili Peppers – Unlimited Love
Die Red Hot Chili Peppers klingen auf ihrem neuen Album Unlimited Love so geeint und selbstsicher wie lange nicht mehr – und bescheren uns damit eines ihrer besten Werke überhaupt.
So groß wie diesmal war die Vorfreude auf ein Red Hot Chili Peppers Album schon länger nicht: Der unter Fans vergötterte, aber durchaus sprunghafte Gitarrist John Frusciante war zuletzt 2006 beim Release von Stadium Arcadium mit an Bord. Da er sich danach zum bereits zweiten Mal aus der Band verabschiedete – sein erster Bandaustritt erfolgte 1992, ehe er 1998 wieder einstieg – mussten die Kalifornier seine Position wieder einmal neu besetzen. So richtig warm wurden Musiker und Fans mit dem Vertretungs-Gitarristen Josh Klinghoffer allerdings nie. Umso größer also die Euphorie, als Ende 2019 Frusciantes erneute Rückkehr verkündet wurde: Die Peppers hatten ihren wohl besten Gitarristen wieder. Und dieser Schritt erwies sich als Segen – sowohl für die Harmonie in der Band als auch für ihren musikalischen Output.
Starke Vorab-Singles als Appetizer
Neue Musik nämlich war auch schon eine gute Weile her – doch dass die Rocklegenden noch einmal so groß aufspielen würden wie auf Unlimited Love, das war tatsächlich nicht abzusehen. Gitarrist hin oder her. Gerade Frusciante wurde dann bei der Lead-Single „Black Summer“ ganz genau auf die Finger geschaut, mit denen er unter anderem zwei lockerleichte Gitarrensoli herbeizaubert.
Noch verheißungsvoller: Der zweite Vorbote „Poster Child“. Hier halten sich die jamfreudigen Instrumentalisten hinter Anthony Kiedis‘ Sprechgesang nämlich nicht länger im Zaum, um den Song möglichst kompakt und damit radiotauglich zu halten. Stattdessen erobert die groovige Koproduktion aus Fleas Bassläufen, Chad Smiths Drumbeat und Frusciantes präzisem Gitarrenspiel gegen Ende des Tracks komplett die Bühne und darf sich frei austoben.
Schon vor Release des ganzen Langspielers war also zu erahnen: Die an vielen Stellen überladene Produktion des Vorgängers The Getaway scheint Geschichte zu sein – stattdessen bekommen die Instrumente wieder mehr Luft zum Atmen. Und wie gut das der Musik tut, beweist der Rest des Albums.
Überragendes Bassspiel: Flea ist die Schlüsselfigur
Die Band harmoniert spürbar und versprüht eine irre Freude am Zusammenspiel. Herausragender Akteur ist hierbei – und das war in der Vergangenheit der Band selten so eindeutig – Bassist Flea. Auf dem 17 Songs starken Album steht er etliche Male im Rampenlicht, wenn seine verdrehten Bassläufe den Takt vorgeben und Varietät in jeden Verse, Refrain oder Bridge-Part bringen. Paradebeispiele sind „Whatchu Thinkin‘“, „She’s a Lover“ oder insbesondere das schräge „Aquatic Mouth Dance“.
Flea läuft hier zu Höchstform auf und läutet einen Song ein, der mit jeder verstreichenden Minute immer weirder und damit immer besser wird: Kiedis‘ Nonsense-Lyrics, gewollt dissonante Backing-Vocals und dem Wahnsinn die Krone aufsetzende Bläser, unter denen der Track endgültig im Chaos versinkt. Herrlich!
Die Mehrzahl der Tracks sprengt die Vier-Minuten-Marke. Gut so!
Genauso funkig klingt „One Way Traffic“, das sich zunächst recht zielstrebig in flottem Tempo durch die ersten Zeilen hangelt. Im Mittelteil allerdings wird die gesamte Dynamik über den Haufen geworfen, ehe sich die Band wieder formiert und der Track schließlich in einem ganz feinen Bass-Outro endet.
Es funktionieren aber nicht nur die längeren Songs prächtig, unter denen sich „Let ‘Em Cry“ (super-groovig) und „The Heavy Wing“ (Chad Smith’s Drumming ist nur eines von zahlreichen Highlights) stark empfehlen. Denn bleibt ein Track doch mal kürzer, wird einfach direkt die volle Ladung Energie verballert, wie auf „These Are The Ways“. Der Song kommt äußerst schnell auf den Punkt, indem ein mitreißender Tempoanstieg ganz früh den Refrain an Land holt. Diese irrwitzigen Hochgeschwindigkeits-Eskapaden aus Drums und Bass kommen immer wieder zurück – genau wie ein mächtiger Frusciante-Riff – und garantieren allerbeste Unterhaltung.
Grenzenlose Liebe für dieses Album
Bestens unterhalten bleibt man damit über die vollen 17 Songs hinweg. Anthony Kiedis schafft es zwar nicht durchgängig, seinen Gesang auf das Niveau der Instrumentierung zu heben, was sich an wenigen Stellen in repetitiven oder leicht uninspirierten Melodien äußert. Aber dieser Makel wird durch die entfesselte Dynamik zwischen den restlichen Bandmitgliedern mehr als nur wettgemacht. Sollte Unlimited Love erst der Auftakt in eine neue Ära der Red Hot Chili Peppers sein, dann dürfen wir unsere Erwartungen hoch halten!
Unlimited Love ist am 01.04.2022 über Warner Records Inc. erschienen.