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Promising Young Woman
Verpackt in eine pastelpinke Hülle, zeigt Emerald Fennells Promising Young Woman das hässliche Innere der Rape Culture. Ein provokativer, schwarzhumoriger Thriller / Rachefilm, der der Gesellschaft unerbittlich den Spiegel vorhält.
Einen „promising young man.“ So nannte der Richter 2016 einen jungen Amerikaner, der eine Frau vergewaltigt hatte, bevor er ihn zu nur 6 Monaten Haft verurteilte. Genau an solche Männern möchte Cassie, die Protagonistin von Promising Young Woman, sich rächen. Regisseurin Emerald Fennell zeigt in ihrem Debüt die „Rape Culture“, die diese Aussage ermöglicht und was für langfristige Folgen das Trauma von sexueller Gewalt haben kann.
„Ich bin ein netter Kerl!“
Drei junge Männer stehen nach der Arbeit an der Bar, trinken Bier und führen nonchalant sexistischen Small Talk. Aus ihrem Augenwinkel bemerken sie eine junge Frau, die so betrunken ist, dass sie nicht mal mehr sitzen kann. Galant kommt einer der Männer zu ihr und bietet ihr seine Hilfe an- ein richtiger Gentleman. Oder? Nicht ganz. Sobald er die junge Frau in seine Wohnung gebracht hat, fängt er an sie gegen ihren Willen auszuziehen. Bis sie sich auf einmal komplett nüchtern aufsetzt und ihn mit seinen Taten konfrontiert. Die junge Frau ist Cassie und das ist ein typischer Abend für sie. Cassie geht in Clubs, tut so, als wäre sie komplett betrunken und lässt sich mitnehmen von angeblich „netten Kerlen“, die ausnahmslos übergriffig werden. Das Casting dieser Männer in Promising Young Women ist so herausragend wie beunruhigend. Die „netten Kerle“ werden gespielt von bekannten Gesichtern wie Adam Brody (O.C. California), Chris Lowell (Veronica Mars) oder Max Greenfield (New Girl), die auf den ersten Blick harmlos wirken und normalerweise wirklich nette Kerle spielen, sodass die Zuschauenden sie nicht sofort als Bedrohung wahrnehmen.
Rachefilm mal anders
Der Grund für Cassies Handeln ist ein traumatisches Ereignis aus ihrer Unizeit. Ihre beste Freundin Nina wurde vergewaltigt. Nachdem ihr keiner glaubte bzw. glauben wollte, hatte Nina sich umgebracht. Cassie, eine „vielversprechende“ junge Frau, brach ihr Studium ab und jobbt nun tagsüber als Barista. Nachts nimmt sie ihre persönliche Rache an den „netten Kerlen“, wie es Ninas Vergewaltiger auch einer war. Emerald Fennell spielt gekonnt mit den Erwartungen, die die Zuschauenden von Rachefilmen haben. Cassie wird zunächst nicht gewalttätig gegenüber den Männern, die sie konfrontiert. Auch Cassies Rolle als Racheengel ist bis zu einem gewissen Punkt subversiv. In typischen Rachefilmen dieser Art wird die Rache für eine Vergewaltigung oft von Männern, spezifisch von den Vätern der Opfer durchgeführt. (Taken, The Virgin Spring) Männer spielen keine unterstützende Rolle in Cassies Rachefeldzug. Sie alleine ist Ninas „Racheengel“ und verliert sich dabei selbst fast komplett. Ihre Taten werden immer extremer und grenzwertiger. Es gibt scheinbar keine moralischen Grenzen, die Cassie nicht bereit ist zu überschreiten. Carey Mulligan spielt die Komplexität und moralische Ambivalenz Cassies meisterhaft.
Gegen das patriarchale System
Promising Young Woman ist ein erschütterndes Porträt der Gesellschaft, die Frauen nicht glaubt, sie sogar verantwortlich macht für sexuelle Übergriffe. Es zeigt das patriarchale System, das Täter schützt und Überlebende ignoriert. Vor allem deshalb lässt das zynische Ende von Promising Young Women einen bitteren Geschmack zurück. Um das Ende zufriedenstellend zu finden, müsste man in das System glauben, das Ninas Vergewaltigung folgenlos zugelassen, ja sogar ermöglicht hat. Und das tut man, vor allem nach diesem Film, nicht.
Promising Young Woman soll am 29. April 2021 in die deutschen Kinos kommen.