Filmkritik

Poor Things

/ / Bild: © The Walt Disney Company (Germany) GmbH

Man nehme die Frankenstein-Geschichte, mische sie mit einer Portion Feminismus und einer Prise griechischer Verrücktheit und heraus kommt: Poor Things! Aber kann der griechische Regisseur Yorgos Lanthimos mit diesem wilden Mix auch überzeugen?

Auf den ersten Blick sieht Bella Baxter (Emma Stone) wie eine ganz gewöhnliche Frau aus – doch ihr Verhalten erinnert mehr an das eines kleinen Kindes. Sie stakst nur unbeholfen durch die Gegend, wirft mit Essen um sich und sprechen kann sie zu Beginn wenig bis gar nicht. Der Grund dafür ist ihr Ziehvater Godwin, kurz God (Willem Dafoe). Denn in einer alternativen Version Londons im 19. Jahrhunderts experimentiert er an Lebewesen herum, weshalb man in seiner Wohnung auch mal ein Huhn mit Hundekopf antrifft. Auch Bella ist eine seiner Kreationen, macht aber rapide Lernfortschritte und geht schon bald ohne die Obhut ihres Erschaffers auf Reisen. Wer aber mit dabei ist: Ein schmieriger Anwalt (Mark Ruffalo), der ihr die Freuden der körperlichen Liebe, oder wie sie es nennt, „furious jumping“, näher bringt.

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Trailer zu Poor Things

Von der Babyhasserin zur kultivierten Leserin

Auf den ersten Blick wird dem Publikum hier also eine eine schräge Komödie im gewohnten Lanthimos-Stil geboten. Allerdings ist die, wie schon The Favourite, deutlich weniger steril als seine früheren Werke und damit zugänglicher für viele Kinogänger:innen. Dabei ist es wahnsinnig unterhaltsam, Bella als Figur zuzusehen, die mit ihrem sehr ehrlichen, teils rabiaten Verhalten so gar nicht in die feine Gesellschaft passt. So verkündet sie etwa bei einem extravagantem Abendessen, dass sie nun das Baby vom Nachbartisch boxen müsse, da es ihrer Ansicht nach zu laut schreit. Emma Stone versteht es dabei, die Vielschichtigkeit, die der Charakter mit sich bringt, absolut überzeugend auf die Leinwand zu bringen. Sie zeigt die Wandlung vom Beginn des Films, als sie vor allem auf physische Komik setzt und unbeholfen durch die Gegend schwankt, bis hin zu einer Frau, die beginnt, immer mehr von der Welt zu verstehen und sich kultivierter ausdrückt. Und genau hier beginnt der Film sich auch zu wandeln.

Frankenstein, but make it feminist

Denn der Anwalt, der vorher noch so begeistert von Bella war, beginnt mit der Zeit auf Abstand zu gehen. Eine Frau, die liest und plötzlich nicht mehr so naiv auf seine Anweisungen hört? Das gefällt ihm natürlich so gar nicht! An diesem Punkt wird ersichtlich, dass Poor Things nicht nur eine schräge Komödie, sondern auch eine feministische Erzählung ist. Zwischen all den humoristischen Momenten werden geschickt auch Themen wie weibliche Selbstbestimmung und Unabhängigkeit eingewoben. Da die Hauptfigur hier die Welt neu für sich entdeckt, wird sie auch mit anderen Problematiken, wie etwa Armut, konfrontiert. Diese bekommen allerdings nur sehr wenig Raum und wirken deshalb etwas unausgegoren.

Das alternative Lissabon/ Bild: © The Walt Disney Company (Germany) GmbH

Unsere Welt als farbenfroher Traum

Die Kameraarbeit wiederum fängt das Empfinden der Neuentdeckung wunderbar ein. Zu Beginn, als Bella noch unbeholfen ist, sind die Bilder schwarz-weiß, je mehr sie jedoch von der Welt sieht, desto mehr ist diese von bunten Farben geprägt, die wie bei einem Gemälde ineinanderlaufen.  Auch die Sets wirken teilweise überaus surreal. Zwar spielt der Film an bekannten Orten, wie Lissabon oder London, doch sehen diese eher aus wie eine Fantasy-Version unserer Welt, in der es etwa schwebende Trambahnen gibt. Die liebevoll gestalteten, teils handbemalten Kulissen sorgen dabei immer wieder für Staunen bei den Zuschauenden. Allerdings können die bunten Bilder zusammen mit den unterschiedlichen Themen auch für eine Reizüberflutung beim Publikum sorgen. So hätten dem Film ein paar Kürzungen, insbesondere gegen Ende, doch gut getan. Trotzdem ist Lanthimos hier ein Werk gelungen, bei dem, ganz wie bei Frankenstein, vielleicht nicht alle Körperteile am rechten Fleck sitzen, das Herz aber auf jeden Fall.

Poor Things läuft ab dem 18. Januar im Kino.