Filmfest 2022
Paris ist in Harlem
Paris ist in Harlem erzählt die Geschichte eines Abends, an dem das “No Dancing Law” in New York abgeschafft wurde. Bis 2017 war es Barbesitzer:innen in der Stadt, die niemals schläft, nicht erlaubt, dass in ihren Lokalen getanzt wurde. Ob der Film die Zuschauer.innen also genauso von den Sitzen reißen kann, wie die Protagonist:innen im Film?
Alles beginnt mit einer Situation, die in den USA mittlerweile keine Überraschung mehr ist: Ein Mann geht in die Bar “Paris Blues and Jazz” und schießt auf die Besucher:innen. Doch wie ist es dazu gekommen? Und vor allem: Was hat die Abschaffung des “No Dance Law” damit zu tun? Die Regisseurin Christina Kallas will darauf mit ihrem Film Paris ist in Harlem Antworten geben.
Die Kraft des Jazz
Paris ist in Harlem? Stimmt, denn die fiktive Bar “Paris Blues and Jazz” steht im New Yorker Stadtteil Harlem. Dass diese im Zentrum der Handlung steht, hat dabei einen bestimmten Grund: Die Musik ist es, die in einer zunehmend egoistischen Gesellschaft für Verbindung und Harmonie sorgt. Und so sehen die Zuschauer:innen fast zwei Stunden lang, wie die mitreißenden Klänge von free jazz die Menschen immer mehr zusammenbringen – zumindest theoretisch.
Ein buntes Themen-Potpourri
Wirklich gelingen will diese Aufgabe der Regisseurin aber nie – dafür will Paris ist in Harlem zu viel und wirkt dadurch vollkommen überladen. So entsteht der Eindruck, als hätte die Regisseurin versucht, so gut wie alle aktuellen Themen in einem Film zu packen: Mal geht es um Cancel Culture, mal um den Egoismus der Menschen. Das ist weder neu, noch besonders subtil umgesetzt. Die Scheinheiligkeit wird dann überdeutlich, wenn der Dekan anderen Rassismus vorwirft, nur um dann im Privatleben völlig anders zu agieren. Was es genau mit dem “No Dance Law” auf sich hat und wieso die Abschaffung des Gesetzes für viele New-Yorker:innen so wichtig war, erklärt der Film nie so wirklich. Nicht nur durch diese oberflächliche Behandlung der Themen fühlt sich Paris ist in Harlem deutlich zu lang an.
Style over substance
Denn das Auffälligste am Film ist nicht die Geschichte – oder besser gesagt Geschichten, sondern die Kameraarbeit und die Montage. Denn oftmals wird nicht nur die Geschichte einer der Figuren gezeigt, sondern manchmal auch zwei oder sogar vier. So will Paris ist in Harlem deutlich machen, dass die verschiedenen Leben der Protagonist:innen verbunden aber trotzdem getrennt sind. Denn nicht immer finden die Figuren auch zueinander. Bereits der neueste Film von Gaspar Noé, Vortex, setzt auf das sogenannte “Split-Screen”-Verfahren, um einen ähnlichen Effekt zu erzielen. Doch begeht Kallas im Gegensatz zu Noé einen entscheidenden Fehler: Alle Handlungen, die gezeigt werden sind für die Entwicklung der Handlung wichtig. So ist es schon bei zwei parallel ablaufenden Geschichten schwierig, mitzukommen – geschweige denn bei vier. Dadurch kann es schnell passieren, dass die Zuschauer:innen von der reinen Bildgewalt überwältigt sind und dadurch in einigen Momenten abschalten.
Musik… und der Rest
Rein musikalisch ist Paris ist in Harlem ein absolutes Highlight – denn die Kraft des Jazz kann von Anfang bis Ende begeistern. Es grenzt teilweise fast schon an Magie, wenn ein Saxophonist sich dem Rhythmus der Musik hingibt und sein gesamter Körper wie in Trance erscheint. Doch ein guter Soundtrack macht noch lange keinen guten Film. So versinkt Paris ist in Harlem über seine Gesamtlaufzeit in der Belanglosigkeit und huscht von einer Situation zur nächsten, ohne je wirklich auch nur den Anschein von inhaltlicher Tiefe zu erwecken. Freund:innen des Jazz könnten einen Blick riskieren – alle anderen sind wahrscheinlich besser damit beraten, sich im Musikladen ihres Vertrauens ein gutes Album zu kaufen und ihre Zeit sinnvoller zu investieren.
Paris ist in Harlem läuft aktuell auf dem diesjährigen Filmfest München. Ein regulärer Kinostart steht aber noch aus.