Kommentar

Olympia hat keinen Platz für Sexualstraftäter

/ / Bild: Shutterstock / Hethers

Höchstleistung, Freundschaft und Respekt. Olympische Grundwerte, die bei Paris 2024 wenig Beachtung finden. Steven van de Velde – ein verurteilter Sexualstraftäter – darf bei den Spielen teilnehmen. Darunter leidet die olympischen Bewegung. Das IOC versteckt sich. Ein Kommentar. 

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Die Beachvolleyballwettbewerbe von Paris 2024 finden vor einer Traumkulisse statt. Über dem Pop-up-Stadion thront der mit den olympischen Ringen verzierte Eifelturm. Bilder für die Ewigkeit. Auf dem Sand aber geht es alles andere als olympisch zu. Als das niederländische Duo einläuft, begleitet das Publikum die beiden Sportler mit lauten Pfiffen. Der Grund heißt Steven van de Velde – ein verurteilter Sexualstraftäter. 

Höchstleistung, Freundschaft und Respekt. Das sind die Werte, welche im Zentrum der olympischen Bewegung stehen. Sie sollen die Grundlage bieten für einen fairen und nachhaltigen Sport, aber auch für eine solidarische Gesellschaft. Seit den ersten olympischen Spielen der Neuzeit im Jahr 1896, steht vor allem das Doping im Zentrum der Aufmerksamkeit. Rassismus, Antisemitismus und Sexismus sind dabei oftmals nur Nebenschauplätze. Wegsehen statt Hinschauen scheint beim IOC immer wieder die Devise zu sein – die Verantwortung wo anders suchen. So auch im Fall van de Velde. 

Das war passiert

Der 29-jährige gilt seit 2011 als eines der großen Talente des niederländischen Beachvolleyballs. Bereits viermal konnte er sich zum niederländischen Meister krönen. Am 2. Wettkampftag der Olympischen Spiele von Paris 2024 gab er nun zusammen mit Partner Matthew Immers sein Olympia Debut. So weit hätte es aber nie kommen dürfen – sagen viele Fans, einige Funktionäre der Spiele und der Anwalt des Opfers, das van de Velde im August 2014 vergewaltigt hatte.  

Der Niederländer, damals 19 Jahre alt, lernte über eine Internetplattform ein 12-jähriges Mädchen aus England kennen. Nach mehreren Tagen des Chatten besuchte van der Velde die Minderjährige. Dabei kam es zu sexuellen Handlungen. Für die britische Justiz war der Straftatbestand der Vergewaltigung nach der Aufarbeitung des Falls erfüllt. Sie verurteilte den Beachvolleyballer zu vier Jahren Haft. Absitzen durfte van de Velde die Strafe in den Niederlanden, wo er im Jahr 2017 bereits nach 13 Monaten vorzeitig entlassen wurde.  

Wie weit geht Resozialisierung?

Schon kurz nach seiner Entlassung fand van de Velde den Weg zurück in den Profisport. Nach Aussagen des niederländischen Verbandes habe es für van de Velde keine Rückfallgefahr gegeben, seine Strafe habe er abgesessen. Für viele sei er ein positives Beispiel der Resozialisierung. Die gilt als eines der höchsten Güter des Rechtsstaates. Dadurch sei es richtig, ihm den Zugang zum Sport nicht zu verwehren. Für den privaten Vereinssport mag das gelten, im internationalen Geschäft ist die Situation aber eine andere.  

“Ich denke auch zurück an den Teenager, der ich war, der unsicher war, nicht bereit für ein Leben als Spitzensportler und innerlich unglücklich, weil ich nicht wusste, wer ich war und was ich wollte.”

Steven van de Velde in einem gemeinsamen Statement mit dem Verband

Wenn der Beachvolleyballer in den typisch orangenen Farben der niederländischen Nationalmannschaft aufläuft, vertritt er mehr als sich selbst. Er repräsentiert eine ganze Nation, bei Paris 2024 sogar die gesamte olympische Bewegung. Die Teilnahme an den Spielen ist kein Recht. Es ist ein Privileg. Die olympischen Ringe, welche van de Velde auf der Brust trägt, repräsentieren Frieden und Respekt. Es ist grotesk, wenn ein verurteilter Sexualstraftäter, unterstützt vom niederländischen Verband, zum Botschafter dieser Werte wird.  

“Seit seiner Rückkehr hat er sich als Musterprofi und vorbildlicher Mensch ausgezeichnet.”

So rechtfertigt das Niederländische Olympische Komitee die Nominierung

Das IOC muss Haltung zeigen

Das IOC versteckt sich hinter der Entscheidung des nationalen Verbandes. Das Komitee mische sich in Kaderentscheidungen nicht ein, sagt IOC-Präsident Bach. Wenn diese Entscheidungen aber im Konflikt mit den olympischen Werten stehen, darf das IOC nicht wegschauen. Ohne Haltung, ohne Rückgrat und ohne Schutz von Schwächeren wird die olympische Bewegung niemals einen Beitrag zu einer respektvolleren Welt leisten können. Ein Ausschluss von verurteilten Straftätern muss zu einem Grundsatz der Spiele werden.