Amy Adams in Nocturnal Animals

M94.5 Filmkritik

Nocturnal Animals

/ / Amy Adams in Nocturnal Animals © Focus Features, LLC

Tom Ford entwickelt im Spannungsfeld zwischen Hochglanz und Abschaum fantastische Bilder. Und fragt ganz nebenbei nach den großen Dingen des Lebens.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen
Trailer zu Nocturnal Animals

Es scheint das perfekte Leben zu sein, das Susan (Amy Adams) führt: Als Galeristin beruflich gefeiert, verheiratet mit einem gutaussehenden Geschäftsmann und zuhause in einem Anwesen wie aus einem Architektur-Magazin. Die Oberfläche ist makellos. Dahinter allerdings sieht es düster aus. Die Abgründe dieses Lebens tun sich auf, als Susan in den Roman ihres Ex-Ehemanns Edward (Jake Gyllenhaal) eintaucht: Der beklemmende Thriller führt von einer eigentlich banalen Ausgangssituation zur Gewalteskalation. Das fühlt sich an wie ein Wiedergänger von Michael Hanekes Funny Games oder David Lynchs Lost Highway.

Tony Hastings (Jake Gyllenhaal) und der Polizist Bobby Andes (Michael Shannon) suchen den Mörder.
Tony Hastings (Jake Gyllenhaal) und der Polizist Bobby Andes (Michael Shannon) suchen den Mörder. © Focus Features, LLC

Jede Einstellung ein Kunstwerk

Tom Ford springt zwischen drei Geschichten hin und her: Da ist die gegenwärtige Realität, gefilmt in einer überhöht-polierten Optik, die das Luxusleben in Los Angeles zeigt. Da ist die idyllische Vergangenheit in New York, in der Susan und Edward sich kennen lernen, mit einer weitgehend natürlichen Ästhetik. Und da ist die Fiktion aus Edwards Roman, voller Schmutz und Blut, im verlassenen Hinterland von West-Texas. Praktisch jede Einstellung ist so komponiert, dass man sich ein Standbild davon als übergroßes Kunstwerk an die Wand hängen könnte. Wer genau hinschaut, entdeckt immer wieder kleine Verweise auf die jeweils anderen Handlungsebenen in den einzelnen Geschichten.

Die großen Fragen hinter der Hochglanz-Fassade

Wie schon bei seinem Debut A Single Man versteht es der Designer Tom Ford, die Möglichkeiten des Kinos auszunutzen. Sieben Jahre hat er sich für die Adaption von Austin Wrights Roman Tony and Susan Zeit gelassen. Allerdings hat er sich ein ordentliches Arbeitspensum aufgeladen: Er hat Regie geführt, das Drehbuch geschrieben und den Film produziert.

Susan (Amy Adams) bedrückt der Roman ihres Ex-Mannes
Susan (Amy Adams) bedrückt der Roman ihres Ex-Mannes © Focus Features, LLC

Als Kinobesucher kann man sich nicht nur an der Optik, den darstellerischen Leistungen und dem unkonventionellen Aufbau der Geschichte erfreuen. Es werden auch jede Menge – teilweise recht tiefgründige – Fragen aufgeworfen: Reicht Liebe für eine Beziehung? Oder sind kompatible Lebensentwürfe viel wichtiger? Kann es Menschen geben, die mit ihrem Leben zufrieden sind? Oder muss man sich schlicht mit der Absurdität des Daseins abfinden? Darf man aus Rache töten? Muss man es gar? Und wer ist am Ende des ganzen Spiels der moralische Sieger?

Gelungenes Zweitwerk

Nocturnal Animals liefert viel Stoff zum Nachdenken und beweist, dass eine sorgfältige Bildkomposition auf der großen Leinwand bisweilen mehr wert sein kann als sämtliche Computeranimationen und 3D-Effekte. Überraschungen gibt es auch: Ein bisschen Horror, nackte Haut (mal mehr, mal überhaupt nicht erotisch) und skurrile Kunst. Tom Ford versteht nicht nur als Modeschöpfer, sondern auch als Filmemacher sein Handwerk. Sehenswert.

Nocturnal Animals läuft ab dem 22. Dezember 2016 in den deutschen Kinos.