Singles in der Isolation
Netflix ohne chill
Statt „Netflix and chill?“ sind Tinder-Bios in diesen Tagen geschmückt mit Mottos wie „keep your hands clean and your minds dirty“. Was bedeutet Isolation für das Singleleben? Und verändert Corona dieses vielleicht sogar nachhaltig?
Online-Dating boomt
Der wirtschaftliche Sektor rund um Dating und Sexualität profitiert diese Tage besonders vom Lockdown. Dazu zählen Datingapps wie zum Beispiel Bumble. Alleine in der vorletzten Woche verzeichnete der Anbieter in der Nutzung einen „explosiven Anstieg über Nacht“ wie das Unternehmen auf Anfrage mitteilte.
Doch auch in Zeiten von unfreiwilliger Isolation und Online-Dating gibt es nicht den einen Single. Jede*r erlebt die ungewohnte Situation in diesen Tagen anders.
Zum Glück allein?
Glücklich Single sein und das auch in Zeiten der Isolation. Dass das geht, ist nicht für alle Alleinstehenden eine Selbstverständlichkeit, aber trotzdem möglich. Die Münchnerin Lina nutzte bislang Datingapps, um andere Singles zu treffen. In Zeiten von Ausgangsbeschränkungen beschäftigt sie sich mit ihrem Single-Dasein auf neue Art und Weise: „Ich habe die letzten Wochen genutzt, mich selber ein bisschen besser kennenzulernen. Was das Onlinedating angeht, hab ich die Ausgangsbeschränkung ausgenutzt, um ein bisschen länger mit den Leuten zu schreiben und mich nicht direkt auf ein Treffen einzulassen“, sagt die 26-Jährige.
Risiko Selbstisolation
Aber nicht alle Singles erleben die Isolation so positiv wie Lina. Der 23-jährige Jonas vermisst beispielsweise die Möglichkeiten, die er als Single im Alltag gewohnt war: „Ich habe in den letzten Wochen mal wieder gemerkt, dass ich mich recht schnell einsam fühle und das auch nicht gern bin. Als Single vermisse ich schon auch die Möglichkeit, Frauen im „Real Life“ kennen zu lernen. Irgendwelche Datingapps sind für mich keine Alternative.“
Mit diesen Gefühlen steht Jonas nicht allein da. Die Einzel-, Paar- und Sexualtherapeutin Gabriele Aigner beobachtet in der Arbeit mit Singles besonders in diesen Tagen eine Tendenz: „Menschen, die alleine sind und sich eigentlich einen Partner oder eine Partnerin wünschen würden, leiden noch mehr unter dem Alleinsein oder der Einsamkeit als vorher, weil sie nicht einmal mehr ausgehen können“, sagt Aigner. Die Therapeutin betont, dass die Einschränkungen durch die Quarantänezeit zusätzliche Probleme hervorrufen können. Es könne zu depressiven Verstimmungen und im Falle einer Vorbelastung in der Isolation auch zu Existenzängsten kommen.
Dabei macht sie allerdings deutlich, dass natürlich nicht zwangsläufig jeder Single davon gleichermaßen bedroht ist. Um aus dieser Zeit allein gestärkt rauszugehen, empfiehlt Aigner, in sich zu gehen und bestimmte Fragen zu stellen: “Was brauche ich wirklich? Was vermisse ich und welche Form von Kontakt möchte ich noch haben?“.
Dabei in die Selbstreflexion zu gehen könne helfen, in dieser bewegten Zeit bei sich zu bleiben, anstatt Gefühlen des Mangels ausgesetzt zu sein.
Die Dosis macht das Gift
Streamingplattformen oder Online-Shopping – bei der Vielzahl an Möglichkeiten, im Netz Beschäftigung zu finden, ist es derzeit wichtiger denn je, für genug Ausgleich zu sorgen: „Zuviel des Guten kann auch gefährlich werden“, warnt Gabriele Aigner. „Zu viel Konsum kann möglicherweise zu Störungen führen.“ Die Zeit auch weiterhin zu nutzen, um alte Kontakte wieder aufleben zu lassen ist ein Tipp von Aigner, um gut durch die Quarantäne zu kommen: „Einen Kontakt pro Tag, auch mit Video“, empfiehlt sie. „Man sollte schauen, dass man einmal pro Tag an die frische Luft kommt, um Sonnenlicht und Vitamin D zu kriegen und in Bewegung bleiben.“
Bei der Frage, wie jeder einzelne Single aus den Zeiten der Isolation rausgeht, kann es gleichermaßen Differenzen wie Überschneidungen geben – es ist vor allem aber das, was jede*r selbst draus macht. Sollte einem die Belastung allerdings zu groß werden und das Gefühl aufkommen, alleine nicht weiterzukommen, empfiehlt sich professionelle Hilfe. Auch in diesen Tagen bieten Beratungsstellen Hilfe an.