Radikalisierung im Internet
Nazi durch YouTube Videos?
Auf Social Media tummeln sich alle möglichen Gruppierungen, um sich digital zu vernetzen. Das schließt auch rechtsextreme Gruppen nicht aus, die versuchen Menschen für ihre Ideologie zu begeistern.
Aber wie passiert das und wer steckt dahinter?
Ein aktives Radikalisierungsnetzwerk
Das Internet spielt eine immer größere Rolle bei der Ideologisierung und Radikalisierung von Menschen. Die suchen einfache Antworten auf komplexe Fragen – das Internet liefert sie. Es wird emotionalisiert, oft sogar mit bewussten Falschmeldungen. Häufig landen Menschen dadurch in rechtsextremen Echokammern.
Gibt es Hauptschuldige?
Man kann nicht sagen, dass es den einen Akteur gibt, sondern es ist vielmehr ein sehr dichtes Netz aus verschiedenen Akteuren, die unterschiedlich groß sind und sich ideologisch manchmal unterscheiden, aber sie haben eines gemeinsam: Sie sind sehr, sehr aktiv.
Lorenz Blumenthaler – Amadeu Antonio Stiftung
Dieses Netz alleine reicht aber nicht aus, um Menschen rechtsextrem zu radikalisieren.
Radikalisierungsprozesse sind komplex: Sie sind vieldimensional und man kann es nicht auf bestimmte Dinge reduzieren. Da gibt es verschiedene Erklärungsansätze, die allesamt einzeln zu kurz greifen.
Tobias Holl – Mobile Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus Bayern
Vielmehr ist es eine Ansammlung von verschiedenen Faktoren, die in ihrer Gesamtheit zu einer Radikalisierung führen können.
Dabei spielen unter anderem der sozioökonomische und der familiäre Hintergrund, sowie eventuelle biographische Brüche, wie eine Trennung oder ein Todesfall in der Familie, eine Rolle.
Rabbit Holes und Skandalisierung
Im Internet passiert eine Radikalisierung oft in sogenannten Rabbit Holes – Also Content Strudel, die Nutzer:innen regelrecht in sich hineinsaugen, bis sie nur noch eine Art von Inhalten angezeigt bekommen, beispielsweise auf sogenannten Imageboards wie Reddit.
Aber auch auf anderen sozialen Plattformen kann Radikalisierung stattfinden. Eine der gängigsten Techniken ist laut Lorenz Blumenthaler die Skandalisierung: “Im Sommer der Migration 2015 konnten wir beobachten, dass einzelne Bilder sehr stark aus dem Kontext gerissen wurden und dann darüber sehr emotionalisiert wurde. Dann kam raus: ,Das Bild war ein Fake oder aus dem Kontext gerissen.‘, aber die Emotionalisierung war schon da. Das senden diese Medien die ganze Zeit.”
Kulturkampf
All diese Dinge sind eingebettet in eine tiefergehende Gesamtstrategie der Neuen Rechten, wie Tobias Holl beschreibt. Sie führen im Internet einen regelrechten “Kulturkampf”. Dieser beschreibt einen vorpolitischen Kampf, der außerhalb des politischen Felds rechtsextreme Ideologien in der Gesellschaft zu festigen und zu verbreiten versucht.
Das ist in der Art und Weise, wie zum Beispiel die Identitäre Bewegung angefangen hat diesen vorpolitischen Kampf über eine Bildsprache der sozialen Medien zu führen, sehr anschlussfähig geworden. Da geht es um gezielten Tabubruch und die Salamitaktik.
Tobias Holl – Mobile Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus Bayern
Die Salamitaktik meint, dass eine größere Gesamtagenda mit kleineren Zielen Stück für Stück umgesetzt wird. Beispielsweise werden die Grenzen des Sagbaren in der öffentlichen Debatte zunehmend ausgeweitet, indem sich in kleinen Schritten von der Grenze entfernt wird.
Die Zielgruppe
Lorenz Blumenthaler von der Amadeu Antonia Stiftung erkennt über die letzten Jahre hinweg aber auch einen Wandel in Hinblick darauf, auf wen Rechte im Internet abzielen: “Während vor einigen Jahren noch eher junge Leute im Internet angesprochen worden sind, finden sich heute Menschen aus fast jeder Altersklasse in rechten Netzwerken. Mittlerweile sehen wir, dass die Zielgruppe eigentlich sehr konterintuitiv gar nicht so sehr Jugendliche sind. In den tatsächlichen Telegramgruppen und den Kommentarspalten sind die rechtsextremen Akteure erfolgreich, gerade wenn es darum geht, die Boomer-Generation abzuholen.”
Prävention
Das wichtigste Mittel um solchen Entwicklungen vorzubeugen, ist die sinnvolle Vermittlung von Medienkompetenz in allen Altersgruppen. Das bedeutet zum Beispiel Programme an Schulen und Fortbildungen für Erwachsene. Aber nicht nur Prävention, sondern auch Ausstiegsperspektiven sind nötig.
Mehr Informationen zum Ausstieg aus der rechtsextremen Szene findet ihr hier.