Filmfest 2024
Milch ins Feuer
Einen Traumberuf zu haben, den wir nicht ausüben können, ist nicht leicht. In Katinkas Fall ist es der Beruf der Landwirtin, genau wie ihre Mutter und Großmutter. Die sind besorgt um Katinka, denn der deutschen Landwirtschaft geht es schlecht. Regisseurin Justine Bauer taucht ein in einen Sommer auf dem Milchhof.
Lange sehen wir nur Wasser. Dann Füße am unteren Bildrand, Beine, etwas Hölzernes. Erst nach und nach wird klar, dass Katinka in ihrem grünen Bikini ins Bild schaukelt. Das Bikinioberteil trägt sie auch beim Kühe melken im Stall. Der Film folgt ihr bei ihrem Alltag auf dem Hof – bei der Arbeit mit den Tieren, beim Gespräch mit ihrer Mutter und Großmutter, und beim Baden im See mit ihren Schwestern und Anna, der Freundin ihres Bruders.
Annas innerer Monolog ergänzt die Kamera, die Katinka folgt. Ihr Hauptthema ist die Kastration. Sie ist schwanger und soll mit Katinkas großem Bruder den Bauernhof übernehmen – aber ist das, wie sie sich ihr Leben vorstellt? Ihrer Meinung nach sollten Männer genauso kastriert werden wie Tiere. Das ist leichter als süße Katzenbabys in einen Sack zu stopfen und zu erschlagen. Die Gewalt verlagert sich auf die Männchen und macht eine Abtreibung überflüssig.
Brutale Realität
Katzen erschlagen werden im Film keine – zumindest nicht vor laufender Kamera. Aber einige der Szenen sind brutal, unter anderem durch ihre Echtheit. Wer gerne eine Kastration in voller Länge sehen möchte, ist bei “Milch ins Feuer” an der richtigen Stelle. Auch die Dialoge – in Mundart – wirken so echt, dass sich der Film immer wieder einer Dokumentation annähert. (Bild: Filmfest München 2024)
Female Gaze
Frauen sind die Hauptpersonen in “Milch ins Feuer”. Sie begegnen sich mit Respekt und treffen ihre eigenen Entscheidungen. Auch die Kastrationen werden von einer Tierärztin und deren Helferin durchgeführt. Es ist erfrischend, eine ganz und gar weibliche Geschichte zu sehen. Ihre Darstellung bleibt dabei realistisch, mit Pickeln und mit wirren Haaren.
Die Zukunft der deutschen Landwirtschaft
Die Milchwirtschaft rentiert sich nicht mehr, die Menschen werden durch Maschinen ersetzt. Katinkas Oma ist traurig darüber, der Nachbar verzweifelt. Und Katinka? Die hat ihre Ausbildung an der Landwirtschaftsschule mit Bravour abgeschlossen. Sie brennt für den Beruf – aber eine Zukunft scheint sie keine zu haben.
„Milch ins Feuer“ läuft auf dem Filmfest noch am Mittwoch, den 3. und am Donnerstag, den 4. Juli in der HFF.