Online-Tool gegen depressive Symptome
Mentale Gesundheit in der Krise
Antriebslos, sozial distanziert und keine Tagesstruktur: Die Isolation macht derzeit einigen Menschen nicht nur äußerlich zu schaffen. Einige fühlen sich in solchen Zeiten auch innerlich unwohl und fallen in ein Tief. Vor allem für depressiv Erkrankte kann es eine schwierige Zeit sein. Ein Online-Tool soll jetzt zusätzliche Hilfe bieten.
Befindlichkeitsstörung vs. Depression
Nicht jede Befindlichkeitsstörung ist mit einer Depression gleichzusetzen. Ein psychisch angespannter Zustand, der viele Menschen in belastenden Situationen trifft, kann in Zeiten der Coronakrise vermehrt auftreten. Eine Depression dagegen ist eine ernsthafte, oft auch lebensbedrohliche Krankheit, bei der die Gehirnfunktionen vorübergehend eingeschränkt sind. Mit professioneller Hilfe ist diese im Normalfall gut behandelbar. Deshalb ist sie auch trotz der Ausgangsbeschränkung wegen des Coronavirus in Bayern weiterhin erlaubt. Allerdings bieten viele Praxen zum gesundheitlichen Schutz der Patient*innen Videosprechstunden an.
Prof. Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, befürwortet diese Option als Alternative in der Coronakrise. “Es wäre schrecklich, wenn durch die Abnahme der Versorgungsqualität das Suizidrisiko erhöht wird. Das darf nicht sein.”
Auch deswegen ist das Online-Selbstmanagement-Tool „IFightDepression“ der Stiftung Deutsche Depressionshilfe für die nächsten sechs Wochen für jeden zugänglich. Dabei handelt es sich um ein kostenloses Angebot, das normalerweise von einem Arzt oder Therapeuten begleitet wird. Aufgrund der aktuellen Einschränkungen wird es auch ohne ärztliche Begleitung angeboten. Basierend auf der kognitiven Verhaltenstherapie kann es dabei helfen, Denk-, Gefühls- und Verhaltensmuster zu erkennen und somit mit depressiven Symptomen umzugehen.
Hierfür können Nutzer wöchentlich einen Stimmungsfragebogen ausfüllen, bei dem man Selbstauskunft über das Interesse bei Tätigkeiten, Schlaf- und Konzentrationsschwierigkeiten, Appetit- und Energielosigkeit oder Suizidgedanken gibt.
Außerdem gibt es Workshops, die aufeinander aufbauen und im eigenen Tempo durchgearbeitet werden können.
Workshop “Denken, Fühlen, Handeln”
Dieser Workshop soll helfen, negative Gedanken und Verhaltensweisen in Frage zu stellen. Niedergeschlagenheit drängt oft Tätigkeiten, die einem kein positives Gefühl geben, in den Hintergrund. Somit liegt der Fokus oft auf negativen Gedanken, da es mehr negative Erlebnisse gibt. Je aktiver man ist, desto mehr hat man das Gefühl einer kontrollierten und klaren Denkweise.
Zusammenhang zwischen Schlaf und Depression
Die angemessene Schlafdauer ist immer individuell. Empfohlen wird Erwachsenen aber sieben bis neun Stunden pro Nacht. Depressiv Erkrankte neigen dazu, möglichst früh ins Bett zu gehen, “auszuschlafen”, und sich tagsüber wieder hinzulegen. Dieser Teufelskreis führt jedoch zu noch schlechterer Stimmung und mehr Müdigkeit sowie Aktivitätsverlust. Somit kann kürzerer Schlaf zur Verbesserung der Stimmung führen. Professor Hegerl erklärt, Schlafentzug sei sogar eine etablierte Therapieform bei Depressionen. Ohne professionelle Hilfe ist es allerdings nur empfehlenswert, die Schlafzeiten leicht zu verändern, wenn man einen negativen Einfluss wahrnimmt. Ansonsten besteht die Gefahr von Konzentrationsverlust. Die Empfehlung der Stiftung Deutsche Depressionshilfe: Ein Schlaftagebuch, bei dem man seine Schlafzeiten und Stimmung dokumentiert.
Schöne Dinge planen und unternehmen
Des Weiteren lernt man im Online-Tool, mithilfe kleiner zielgerichteter Schritte eine Tagesstruktur zu planen. Diese Schritte sollten eine Balance aus Pflichten, die leicht abzuarbeiten sind, und freudebringenden Erfolgserlebnissen sein. Dazu gehören auch Aufgaben, die man bereits lange aufschiebt. Nach einem Brainstorming zur Problemlösung formuliert man am besten ein erreichbares eindeutiges Ziel, zum Beispiel das Zimmer endlich aufzuräumen.
Negative Gedanken erkennen & vermeiden
Depressive Menschen neigen zu bestimmten Denkstilen. Diese äußern sich im schwarz/weiß- Denken, übertriebenen Verallgemeinerungen, voreiligen Schlüssen oder dass Dinge schnell persönlich genommen werden. Sobald man das erkannt hat, ist es eine große Herausforderung, diese negativen Gedanken zu verändern. Mithilfe des “IFightDepression”-Tools wird man unterstützt, diese negativen Gefühle zu erkennen und damit umzugehen.
Ein gesunder Lebensstil ist wichtig
Im letzten Workshop vermittelt die Stiftung Deutsche Depressionshilfe weitere Tipps für einen gesunden Lebensstil. Diese sind zum Beispiel körperliche Betätigung bei Tageslicht und das Pflegen von sozialen Kontakten. Auch wird empfohlen, auf eine gesunde Ernährung zu achten. Die Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren, wie sie in Lachs oder Sardinen vorhanden sind, kann beispielsweise zur Linderung von Depressionen beitragen.
Das “IFightDepression”- Tool bietet viele Informationen und Programme, die eine hilfreiche Unterstützung im Alltag sein können. Vor allem in einer Zeit, in der Menschen von anderen isoliert sind. Eine Therapie kann es zwar nicht ersetzen, aber das wird so auch deutlich vermittelt.
Auch Prof. Hegerl ist überzeugt von dem positiven Effekt des Tools. “Ich glaube vor allem das ifightdepression-Tool ist etwas, das vielen nutzen wird. In den letzten Tagen gab es bereits mehrere tausend Anmeldungen.”
Mehr Informationen zum kostenfreien Selbstmanagement-Online-Programm “IFightDepression” findet ihr hier: www.deutsche-depressionshilfe.de/ifightdepression. Bei Verdacht auf Depression ist es ratsam, sich zu erkundigen und so schnell wie möglich ärztliche Hilfe zu suchen.
weitere mögliche Anlaufstellen
• Fachlich moderiertes Online-Forum zum Erfahrungsaustausch www.diskussionsforum-depression.de
• Deutschlandweites Info-Telefon Depression 0800 33 44 5 33 (kostenfrei)
• Telefonseelsorge 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222 (kostenfrei)
• E-Mail-Beratung für junge Menschen: www.u25-deutschland.de oder www.jugendnotmail.de