Politische Statements in der Fußballbundesliga
„Menschenverstand ja, Parteipolitik nein“
Nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd hatten auch in der Fußballbundesliga einige Spieler ihre Solidarität bekundet, zum Beispiel mit einer „Justice-for-George“-Armbinde. Der DFB verbietet eigentlich politische Botschaften auf dem Platz und hat deshalb Ermittlungen eingeleitet. Jetzt will er die Proteste aber doch nicht bestrafen. Zu Recht?
Deutschlands Fußballwelt war entsetzt über die Ankündigung des DFB-Kontrollausschusses, gegen den Gladbacher Marcus Thuram, die Dortmunder Jadon Sancho und Achraf Hakimi sowie den Schalker Weston McKennie Ermittlungen aufzunehmen. Vor einem Millionenpublikum hatten sie Statements gegen Polizeigewalt und Rassismus gesetzt. Am Mittwochabend kam dann aber doch die Entwarnung vonseiten des DFB:
“Natürlich hat der DFB-Kontrollausschuss stets die Vorgaben der FIFA-Fußballregeln und der DFB-Ordnungen im Blick. Im konkreten Fall handelt es sich aber um gezielte Anti-Rassismus-Aktionen der Spieler, die sich damit für Werte starkmachen, für die der DFB ebenfalls steht und immer eintritt. Daher werden keine Verfahren eingeleitet, auch bei vergleichbaren Anti-Rassismus-Aktionen in den nächsten Wochen nicht.”
Anton Nachreiner, Vorsitzender des DFB-Kontrollausschusses
Alternativlose Entscheidung
Zuvor hatte es von allen Seiten viel Lob für die Protestaktionen der Bundesligaspieler gegeben und ihre Vereine und Trainer hatten sich demonstrativ hinter ihre Schützlinge gestellt. Nun herrsche allgemeine Erleichterung darüber, „dass der DFB seinen Kontrollausschuss zurückpfeift“, sagt Thomas Kessen von der Fangemeinschaft „Unsere Kurve“:
„Was man natürlich im Fußball nicht braucht, ist, dass der Platz beispielsweise als Wahlkampfplattform oder dergleichen genutzt wird. Aber im vorliegenden Fall geht es ja nicht um Parteipolitik, sondern um gesunden Menschenverstand, um absolut lobenswerte Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus. Und das darf nicht bestraft werden.“
Thomas Kessen von „Unsere Kurve“
Der DFB hat hier also das nötige Fingerspitzengefühl gezeigt. Trotzdem zieht das auch neue Probleme nach sich. Denn im Fall von den Solidaritätsbekundungen mit dem getöteten George Floyd und den Protesten gegen Rassismus ist klar: Diese Botschaft ist richtig und wichtig und vor jeder inhaltlichen Kritik gefeit.
Aber in weniger eindeutigen, kontroverseren Fällen, stellt sich die Frage: Wer will verlässlich beurteilen, welche politische Äußerung gerechtfertigt und sinnvoll ist und welche nicht? Wo setzt man die Grenze fest? Da besteht schnell die Gefahr, dass der DFB-Kontrollausschusses subjektiv entscheidet.
Missbrauch für Propaganda
Bisher war dagegen klar geregelt: Politische Statements auf dem Rasen sind verboten und werden bestraft. Beispiele von brisanten politischen Kontroversen im Profifußball gibt es vor allem auf internationaler Ebene nämlich genug, berichtet Thomas Kessen:
„Ich erinnere da beispielsweise an den albanischen Adler, dieses Handzeichen, das bei der letzten WM einige Spieler verwendet haben, oder den Militärgruß türkischer Fußballer nach dem Einmarsch der türkischen Armee in Syrien. Und in der Geschichte gibt es noch extremere Beispiele, zum Beispiel die Länderspiele in den 30er- und 40er-Jahren, wo die Mannschaften mit Hitlergruß zur Hymne posiert haben.“
Thomas Kessen von „Unsere Kurve“
An diesem Extremfall zeigt sich die Problematik, wenn die „Plattform Profifußball“ für politische Propaganda missbraucht wird. Deshalb gibt es auch Kritik am Blankoscheck des DFB für die aktuellen Proteste. Natürlich nicht in der Sache und an der Botschaft der Stars gegen Rassismus; Aber dem DFB wird auf social media unter anderem vorgeworfen, „mit zweierlei Maß zu messen“. Eine Person kommentierte auch: „Das ist typisch deutsch: Wenn ein Statement zum Zeitgeist passt, wird es bejubelt und gefühlt alles ist erlaubt. Aber wenn nicht, dann wird dasselbe Verhalten hart bestraft.“
Neuregelung vom DFB?
DFB-Präsident Fritz Keller hat deshalb jetzt eine Kommission damit beauftragt, sich mit der Regelung zu politischen Botschaften nochmal neu zu befassen. Vermutlich soll sie dann auch abgeändert werden:
„Wer die auch in der DFB-Satzung verankerten Werte des Fußballs proklamiert, darf nicht bestraft werden. Wir wünschen uns mündige Spielerinnen und Spieler, die mit gutem Beispiel vorangehen und Menschen von unseren Werten überzeugen. Das muss möglich sein.”
DFB-Präsident Fritz Keller
Ähnlich sieht das auch Weston McKennie, einer der vier Bundesligaspieler: Er sei zwar Sportler – aber in erster Linie Mensch.