Statussymbole während Corona
Mein Haus, mein Auto, mein Toilettenpapier
Auf den Instagram-Kanälen vieler Influencer zeigt sich die Coronakrise: Exotische Reiseziele, protzige Uhren und teure Klamotten scheinen momentan eine eher zweitrangige Rolle zu spielen. Stattdessen: Dreilagige Toilettenpapier-Rollen und Atemschutzmasken mit hipsten Designs. Sind sie das neue Statussymbol?
Gesellschaft ohne Statussymbole?
„Wenn Sie einen Menschen in der Badehose treffen und nichts von seinen Lebensverhältnissen wissen: Woran erkennen Sie den Reichen?“
Max Frisch, Tagebuch 1966-1971
Wenn jeder Mensch in Badehose oder Bikini das Haus verlassen würde, wäre es deutlich schwerer, eine Person in eine bestimmte Schublade zu stecken. So idealistisch eine Welt ohne Statussymbole auch sein mag, umsetzbar ist die Vorstellung nicht. Denn eine Gesellschaft brauche bestimmte Formen von Ausgleich, um zu überleben, so Dr. Gunther Hirschfelder, Professor für Vergleichende Kulturwissenschaft an der Universität Regensburg. „Man benötige Statussymbole, um eine Gesellschaft zu ordnen und zu hierarchisieren“, sagt Gunther Hirschfelder. Die gesellschaftliche Tendenz, in einem ständigen Konkurrenzkampf zu sein, erzeuge abstufende Untereinheiten innerhalb einer Gesellschaft, so Gunther Hirschfelder weiter.
Statussymbole schenken Sicherheit
Neben dem gesellschaftlichen Ausgleich geben Statussymbole aber auch jedem Menschen die Freiheit, sich selbst zu definieren. So ist die Historikerin Dr. Margrit Schulte Beerbühl, Professorin an der Universität Düsseldorf für Neuere Geschichte, der Meinung, dass man als Individuum ständig nach Signalen sucht, die einem in dieser wirren Welt Sicherheit und Geborgenheit schenken. Sobald man diese für sich verinnerlicht hat, kann die eigene Persönlichkeit und das eigene Selbstverständnis stärker gefestigt werden – und dies durch gewisse Statussymbole an die Außenwelt weitergegeben werden.
Abhängigkeit vom kulturellen Wandel
Der Zeitpunkt, an dem sich Menschen gesellschaftlich zusammengeschlossen und sich kulturell und sozial abgegrenzt haben, war die Geburtsstunde der Statussymbole. Laut Professor Hirschfelder ist es ein sehr weiter Weg zurück in die Menschheitsgeschichte, der sich bisher erst ab der Jungsteinzeit zurückverfolgen lässt. Die Entscheidung darüber, welches materielle oder immaterielle Gut als Statussymbol klassifiziert wird, hängt stark vom kulturellen Wandel ab. In der heutigen internetaffinen Gesellschaft spielt laut Professorin Schulte Beerbühl besonders Social Media eine wichtige Rolle. Denn es trägt dazu bei, dass die Nachfrage nach bestimmten Gütern steigt.
Toilettenpapier als neues Statussymbol?
Über die Entwicklung von Statussymbolen in Zeiten vor und nach Corona können bisher nur Mutmaßungen angestellt werden, da das Ende der Pandemie noch nicht in Sicht ist. „Ein kurzer Verlauf der Corona-Krise ermöglicht eine fast vollständige Rückkehr zu dem Vorzustand. Eine längere Pandemie hingegen bewirkt eine stärkere Entfernung von den bisherigen Statussymbolen-Idealen“, so Professor Hirschfelder.
Wer sich durch die Anhäufung von Toilettenpapier und anderen Hygieneartikel aber einen sozialen Sprung in die Elite erhofft, muss leider enttäuscht werden. Denn auch in Zukunft wird das gebunkerte Toilettenpapier und andere Hygiene-Mittel laut den beiden Experten nicht wertvoller als zuvor sein. Sie sind lediglich kurzfristige Ausschläge, die in Social Media und in der Lebensmittelbranche wahrgenommen worden sind. „So ist klar, dass Toilettenpapier quasi nur ein Signal dafür ist, dass man egal, wie schwierig die Zeiten auch sind, die Hygiene erhalten will und sogar verbessern möchte“, so Professorin Schulte Beerbühl.
Die Toilettenpapierrolle bleibt eben also doch nur Toilettenpapier. Nach der Krise sind wohl wieder Reisefotos aus exotischen Ländern, teure Klamotten und viel Bling-Bling das Maß der Dinge in den Instagram-Feeds.