Plädoyer für mehr Langeweile
Mehr Langeweile bitte!
Die Langeweile steht momentan auf dem Tagesprogramm. Dennoch versuchen wir alles, um sie zu füllen. Dabei kann sie auch eine Wohltat sein, die zudem alles andere als langweilig sein muss.
Handy, Netflix und Co. Viele kleine Ablenkungsmanöver, um Langeweile zu vertreiben oder sich nahtlos und dauerhaft mit etwas zu beschäftigen. Dabei sind sich Forscher einig: Laut einer US-amerikanischen Studie kann sich die permanente Überstimulation des Gehirns negativ auf die Gesundheit auswirken. Das kann von verminderter Konzentrationsfähigkeit, bis hin zu einem erhöhten Stress-Level oder gar einer Digitalsucht führen. Dabei hat der Leerlauf im Kopf, also einfach mal nichts zu tun, auch einen großen Nutzen.
Was passiert bei Langeweile im Gehirn?
Dieser Frage gingen US-amerikanische Forscher*innen in der Studie “Over and over again: Changes in frontal EEG asymmetry across a boring task” nach und gaben ihren Teilnehmer*innen dabei ermüdende Aufgaben: Die Probanden mussten acht virtuelle Stifte drehen, sobald der Computer sie dazu aufforderte. Hierbei beobachteten die Forscher*innen Aktivitäten im rechten und linken Frontallappen des Gehirns. Eine erhöhte Aktivität wurde bei Teilnehmer*innen im rechten Frontallappen festgestellt, die sich nach eigenen Angaben schnell gelangweilt fühlten. Aktiv wird der rechte Frontallappen dann, wenn Angst oder negative Gefühle empfunden werden. Bei Teilnehmer*innen die sich nicht schnell langweilen, war hingegen der linke Frontallappen besonders aktiv. Diese Teilnehmer*innen dachten also während der Langeweile an etwas, was sie von dieser ablenkt. Wer also weiß, wie man richtig mit Langeweile umgeht, empfindet diese als weniger negativ.
Langeweile in der Soziologie
Das Empfinden von Langeweile beschäftigt nicht nur die Neurologie. Professor Martin Doehlemann hat in München Soziologie studiert und sich später als Professor näher der Langeweile gewidmet. Er betont, dass in der heutigen Gesellschaft neue Gründe für Langeweile dazukommen:
“Der moderne Mensch lebt ja von der Selbstreflexion: Wir wollen uns selbst finden. Und bei der Gelegenheit finden wir manchmal nichts. Das ist zum Beispiel eine deutliche Quelle von Langeweile.”
Professor Martin Doehlemann
Verschiedene Typen von Langeweile
Doch Langeweile entsteht nicht nur aufgrund von Selbstreflexion. Die Soziologie unterscheidet grob zwischen situativer Langeweile und existenzieller Langeweile. Die situative Langeweile ist vorübergehend, die existenzielle hingegen ein permanentes Gefühl. Beide Begriffe wurden von Martin Doehlemann mitgeprägt. Positive Eigenschaften hat für ihn vor allem der spezielle Fall der schöpferischen Langeweile.
Schöpferische Langeweile
Die schöpferische Langeweile bezeichnet die Ruhe vor dem kreativen Sturm, wie uns Professor Doehlemann im Gespräch erklärt. Dabei brütet der Mensch (unterbewusst) neue Ideen aus und ist offen für Inspirationen jeglicher Art. Diese Langeweile fühlt sich nicht zwangsläufig unangenehm an. Sie bietet die Chance, sich selbst zu sammeln, um anschließend vor neuen Ideen zu sprühen.
“In diesem Zustand kann man Funken für eine neue Kreativität schlagen”
Professor Martin Doehlemann
Der Langeweile einen Sinn geben
Der erste Schritt gegen Langeweile, ist zu erkennen, welche Art von Langeweile man selbst empfindet. Die wirkliche Kunst liegt aber darin, die Langeweile in Kreativität umzuwandeln.