M94.5 ALBENREVIEW
Little Simz – NO THANK YOU
NO THANK YOU heißt das Geschenk, das uns die britische Rapperin Little Simz am Ende dieses Jahres macht. Auf Beats, die stark von Soul und Gospel Musik beeinflusst sind, gibt sie Einblicke in die Ungerechtigkeiten des Musikgeschäfts und erzählt von ihren Erfahrungen mit Rassismus und Sexismus.
Vorletzten Montag sorgte Little Simz mit einem Überraschungsdrop für Begeisterung bei ihren Fans. Nur wenige Stunden nachdem sie Details zu Ihrem kommenden Album konkretisierte, veröffentlichte sie NO THANK YOU, und damit den Nachfolger zu ihrem hochgelobten Album Sometimes I Might Be Introvert, das im September 2021 erschienen ist.
Bruch mit der Spotify-Ära
Zuallererst fällt auf, dass Little Simz sich nicht den Streaming-Regeln der modernen Musikindustrie unterwirft. Denn sie droppt nicht nur an einem Montag. Die meisten der zehn neuen Songs überschreiten die Vier-Minuten-Marke. Der längste Track heißt „Broken“ und hat eine Laufzeit von sieben Minuten und 29 Sekunden. Zum Vergleich: In Zeiten von kurzen Aufmerksamkeitsspannen und TikTok-Trends haben viele Ihrer Rap-Kolleg:innen Schwierigkeiten die Zwei-Minuten Marke zu knacken. Sie versteht, dass sie eine etablierte Rapperin ist, die sich nicht zensieren muss, um gut bei den Leuten anzukommen.
Nein Danke
„Had to channel it somehow, this the only way I know”. Das sind die erste Worte nach dem Release, Little Simz in einem Instagram-Post zu Begeisterung und Liebe der Fans schreibt. Wer in das Album reinhört versteht sofort, was sie meint. Der erste Track „Angel“ behandelt konkret die Ungerechtigkeiten im Musikgeschäft und den Umgang mit der Verantwortung, die sie als berühmte KünstlerIn trägt. „How can I stand with the opps and not with the tribe?”. Wie ist es zu dem Punkt gekommen, dass sie ungerechte Verträge unterschreibt und eine Scheinwelt repräsentiert, während sie sich damit von ihrer Herkunft entfremdet? Sie nimmt für ihre Botschaft dabei kein Blatt vor den Mund: „Yeah, I refuse to be on a slave ship, give me all my masters and lower your wages”. Die jahrzehntelang andauernde Diskussion um Rechte an Songs und wirtschaftlichen Anteilen greift Little Simz berechtigterweise auf und gibt den Hörenden einen Vorgeschmack auf den thematischen Rahmen des Albums. Diesen greift sie später, unter anderem in dem Track „No Merci“ wieder auf: „Ownership is the only conversation we can have.” In diesem Track weist sie vor allem auf Labels und ihre fragwürdigen Methoden hin: „They want you rushing your life decisions over a three-course meal, next thing you know, you’re doing free tours.” Sie ermahnt aufstrebende Künstler:innen dazu, sich Zeit zu lassen bei wichtigen Entscheidungen und nichts zu übereilen, um am Ende nicht ausgenutzt zu werden.
Neuer Sound – bekannte Hilfe
Auf „Gorilla“ lockert sie die ernste Thematik ihres Albums etwas auf und rappt mit einem smoothen Flow auf einen jazzigen, basslastigen Boom-Bap-Beat, der an den New Yorker Hip-Hop Sound der 90er Jahre erinnert. Wird ein Blick in die Liste der Mitwirkenden geworfen, fällt bei jedem Track des Albums der Name Inflo auf. Der britische Produzent ist der Kopf des R&B-Kollektivs SAULT, welches im Jahre 2020 im Rahmen der Black-Lives-Matter-Proteste an Bekanntheit gewann. Er hat jedes Instrumental auf dem Album produziert und tatsächlich erkennt man die Soul- und Gospel-Klänge wieder, über die Little Simz mit unterschiedlichen Flows rappt. Auf beinahe allen Beats hört man Chöre und echte Schlagzeuge. Sie lassen der Rapperin viel Raum, um ihre Botschaft den Hörenden zu übermitteln. Dadurch wirkt der Sound gelassen und überlässt es jedem selbst zuzuhören oder zu entspannen.
Einen empowernden Einblick in die Alltagsrealität vieler Menschen gibt Little Simz auf den Tracks „Broke“ und „Who even care“. Sie rappt über zerbrochene Träume und dem alltäglichen „Hustlen“, um den eigenen Kinder täglich ein Essen servieren zu können. Dabei betont sie, dass es wichtig ist, das Positive im Leben zu sehen und sich für die Liebe zu entscheiden.
Hip-Hops neue Hoffnung
Little Simz hat ein Album mit sehr viel lyrischem Tiefgang gezaubert. Der Sound und die Beats ziehen sich wie ein roter Faden durch das Album und geben der nachdenklichen Thematik einen angenehmen und passenden Sound, der viel Raum für lyrischen Inhalt lässt. Mal sehen, ob es das Projekt so spät in die Bestenlisten der HipHop-Alben des Jahres 2022 schafft. Einen Platz in unserer Bestenliste hat es allemal.
NO THANK YOU ist am 12.Dezember 2022 über Forever Living Originals erschienen.